Gerichts-TV im Namen des Volkes?

Laut Medienberichten plant Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), Fernsehübertragungen aus Gerichtssälen zuzulassen. Kommt jetzt ein Gerichts-TV?

Das Bundesjustizministerium relativiert: Zugelassen werden soll nur die Übertragung der Urteilsverkündung von Bundesgerichten. Das bedeutet: keine Übertragung des Verfahrens vor Urteilsverkündung, keine Aufzeichnung in unteren Instanzen. Trotzdem überflüssig und schädlich, meint der Autor.

Wer ein Urteil in Erfahrung bringen möchte, kann an dessen Verkündung  teilnehmen. Gerichtsverfahren sind gem. § 169 Satz 1 GVG (mit wenigen Ausnahmen, wie Jugendstrafsachen oder Familiensachen) öffentlich. Entscheidungen von besonderer Bedeutung oder Tragweite werden ohnehin veröffentlicht. Jeder kann diese nachlesen.

Kein Mehrwert durch Übertragung

Ein Mehrwert der Übertragung einer Urteilsverkündung ist nicht ersichtlich. Einige meinen, dies führe zu mehr Transparenz. Mehr Transparenz könnte jedoch allenfalls durch die Übertragung des gesamten Verfahrens erreicht werden. Doch § 169 Satz 2 GVG verbietet dies bislang nicht ohne Grund.

Der Grundsatz der Verfahrensöffentlichkeit in § 169 Satz 1 GVG ist wesentliches Element eines Rechtstaats. Ein öffentliches Verfahren schützt die Verfahrensbeteiligten. Niemand soll im stillen Kämmerlein verurteilt werden. Die Öffentlichkeit dient der Kontrolle des Gerichts. Doch Transparenz ist nicht schrankenlos gutzuheißen. Ein Zuviel an Öffentlichkeit kann ins Negative umschlagen.

Gerichts-TV schadet dem Prozess und den Beteiligten

Ob im Straf-, Verwaltungs- oder Zivilprozess – überall kann es zu für einzelne Personen kompromittierenden Äußerungen kommen. Bei einer öffentlichen Ausstrahlung würden die Prozessbeteiligten zur Schau gestellt. Dabei darf man nicht vergessen, dass die Parteien und Zeugen in einem Prozess dort nicht freiwillig sitzen – anders als die Komparsen eines TV-Gerichts auf RTL. Ebenso steht zu befürchten, dass bei einer Übertragung ein Stück Sachlichkeit verloren geht. Der Gerichtssaal ist kein Ort für falsche Eitelkeiten und kein Laufsteg der Jurisprudenz.  Wer will schon Show-Prozesse nach amerikanischem Vorbild (man denke nur an das Negativ-Beispiel des O.J. Simpson-Prozesses)? Und: Öffentlichkeitsscheue Menschen könnten von der Durchsetzung ihrer Ansprüche abgehalten werden. Alles in allem: Die (hier nicht abschließend aufgezählten) Nachteile von Aufzeichnungen von Gerichtsprozessen überwiegen die spärlichen Vorteile.

Gesetzesinitiative als Türöffner?

Es steht zu befürchten, dass die Gesetzesinitiative des Bundesjustizministeriums nur ein Türöffner sein wird, um im nächsten Schritt vollständige Verhandlungen zu übertragen. Der Autor teilt die dahingehende Befürchtung der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Ingrid Schmidt.

Fazit

Die geplante Übertragung von Urteilsverkündungen von Bundesgerichten ist überflüssig. Dient sie als Türöffner, um in Zukunft die Übertragung des gesamten Prozesses zuzulassen, ist sie sogar schädlich. Die Übertragung von Gerichtsverhandlungen ist bislang verboten – und das aus gutem Grund. Es bleibt zu hoffen, dass uns amerikanische Verhältnisse erspart bleiben.

Weitere Artikel zum Thema