Mancher mag ketzerisch behaupten, eine Gesellschaft sei führungslos, wenn ein ungeeigneter Geschäftsführer bestellt ist. Dann mag es vielleicht faktisch an einer Führung mangeln, aber die Gesellschaft ist nicht führungslos.
Führungslos im rechtlichen Sinn ist eine Gesellschaft erst, wenn sie keinen Geschäftsführer (mehr) hat (§ 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG) Manchmal ist dieser Umstand leicht festzustellen, z.B., wenn der einzige Geschäftsführer verstirbt oder alle ihr Amt niedergelegt haben.
Manchmal ist diese Frage aber gar nicht so einfach zu beantworten.
Ist die Gesellschaft beispielsweise schon führungslos, wenn der Geschäftsführer ein paar Wochen im Urlaub ist? Und was ist, wenn er verschollen ist? Oder bei einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt? Was ist, wenn der Geschäftsführer dauerhaft untätig ist? Und kann eigentlich jeder einfach niederlegen (siehe hierzu unseren Blogbeitrag vom 31.05.2024)?. Pauschale Antworten gibt es nicht.
Ausschlaggebend für die Führungslosigkeit ist, dass die Qualität der Nichtexistenz des Organs erreicht wird. Die fehlende Erreichbarkeit muss also von gewisser Dauer sein, ohne dass zeitnah Aussicht auf Besserung besteht.
Daher lässt sich zu den obigen Beispielen folgendes sagen:
- Ist der Geschäftsführer im (längeren) Urlaub, ist die Gesellschaft nicht führungslos.
- Liegt der Geschäftsführer im Krankenhaus, ist aber in einem Zustand, in dem er sich beispielsweise auch telefonisch mit Fragen der Geschäftsführung befassen könnte, liegt keine Führungslosigkeit vor. Anders ist es, wenn der Geschäftsführer im Koma liegt.
- Bei schlichter Untätigkeit des Geschäftsführers liegt keine Führungslosigkeit vor.
Und was passiert nun, wenn die Gesellschaft nun führungslos ist?
Dann ist die Gesellschaft handlungsunfähig und kann ihren Zweck nicht verfolgen. Zudem kann die Führungslosigkeit für die Gesellschafter weitere unangenehme Folgen haben. Denn grundsätzlich haften die Gesellschafter einer GmbH – von Extremfällen abgesehen – nicht. Im Falle der Führungslosigkeit kann das aber anders sein.
Entsprechende Regelungen wurden in das Gesetz aufgenommen, weil die Führungslosigkeit in der Vergangenheit zur „stillen“ Beseitigung von Gesellschaften genutzt wurde (BT-Drucks. 16/6140, S. 42). Alle Geschäftsführer legten nieder und das Geschäftslokal wurde aufgegeben. Die Gesellschaft wurde bestattet, ohne die Gesellschaft ordnungsgemäß zu liquidieren oder ein Insolvenzverfahren zu durchlaufen. Gläubiger konnten keine Zustellungen bewirken. Zudem war niemand mehr da, der verpflichtet war, einen Insolvenzantrag zu stellen. War es nicht praktisch?
Diesem Vorgehen hat der Gesetzgeber aber einen Riegel vorgeschoben. Nunmehr können bei einer Führungslosigkeit Zustellungen an die Gesellschafter bewirkt werden (§ 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG). Zudem geht die Insolvenzantragspflicht auf die Gesellschafter über (§ 15a Abs. 3 InsO) – dies mit allen strafrechtlichen und haftungsrechtlichen Konsequenzen.
Die Gesellschafter sollten daher grds. ein Interesse daran haben, den Zustand der Führungslosigkeit durch Bestellung eines neuen Geschäftsführers zu beenden. Sie müssen es aber nicht. Dann müssen sie aber auch mit den Konsequenzen leben.
Und wenn sie keinen Geschäftsführer bestellen können, etwa, weil sie sich nicht einigen können? Dann besteht die Möglichkeit, bei Gericht die Bestellung eines Notgeschäftsführers zu beantragen (§ 29 BGB analog). Die Hürden sind allerdings hoch. Problematisch wird es auch, wenn niemand für das Amt zur Verfügung steht, etwa, weil die Gesellschaft in der Krise ist. Manchmal ist dann die Insolvenzantragstellung durch einen der Gesellschafter die letzte Möglichkeit.
Daher sollten Gesellschafter grundsätzlich ein Interesse daran haben, die Führungslosigkeit einer Gesellschaft zu vermeiden.