Insolvenz = Tod des Unternehmens? Nein!

Zahlungsunfähigkeit/Insolvenzverfahren/Eigenverwaltung – Worte, die aktuell immer wieder in den Medien auftauchen, obwohl derzeit die Insolvenzantragspflicht unter bestimmten Voraussetzungen ausgesetzt ist (siehe Blogbeitrag vom 31.03.2020).

Dennoch, bekannte Unternehmen wie Tom Tailor, Bonita, Appelrath Cüpper, Sinn, Esprit – alle haben einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens – zumeist in Eigenverwaltung – gestellt. Grund dürfte der erhebliche Umsatzeinbruch – verursacht durch die wochenlangen Schließungen des stationären Handels – sein. Diesen allein durch das Online-Geschäft aufzufangen dürfte schlicht unmöglich sein.

Aber warum stellen diese Unternehmen einen Insolvenzantrag, wenn die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist? Zum einen müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit keine Insolvenzantragspflicht besteht. Wichtiger ist jedoch, und dies wird vielfach unterschätzt, dass selbst dann, wenn die Insolvenzantragspflicht tatsächlich ausgesetzt sein mag – die Insolvenzantragsgründe der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit sind nicht suspendiert. Das heißt, die Gesellschaft ist dennoch insolvent. Und dies kann ganz erhebliche Auswirkungen für die betroffenen Gesellschaften und ihre Organe haben.

Aber wann liegt eine (eingetretene und nicht nur drohende) Zahlungsunfähigkeit überhaupt vor?

Viele gehen davon aus, dass eine Zahlungsunfähigkeit erst dann eingetreten ist, wenn man keine oder jedenfalls keine nennenswerten Zahlungen mehr leisten kann. Aber weit gefehlt. Zahlungsunfähigkeit kann auch dann vorliegen, wenn noch erhebliche Zahlungen geleistet werden.

Verkürzt gesprochen liegt eine Zahlungsunfähigkeit dann vor, wenn mehr als 10 % der fälligen Verbindlichkeiten nicht binnen drei Wochen bedient werden können. Dabei sind auch die in dieser drei-Wochen-Frist fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten in die Berechnung einzubeziehen. Die Grenze kann also schneller erreicht sein, als man denkt. Es handelt sich zudem um eine reine Liquiditätsbetrachtung. Eine Zahlungsunfähigkeit kann also auch dann eintreten, wenn noch weiteres Vermögen vorhanden ist, dieses aber gebunden / illiquide ist.

Organe von Gesellschaften sind also gut beraten, ihre Liquiditätssituation genau im Blick zu halten und auch nicht zu schnell auf eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zu vertrauen. Es sollte immer der individuell richtige Weg beschritten werden – auch wenn dieser in der Stellung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen mag. Denn ein Insolvenzverfahren ist nicht der Anfang vom Ende, sondern vielfach einfach der Beginn eines neuen Kapitels im Leben der Gesellschaft.

Autorin

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