Kartellrechtliche Komplikationen bei der Gründung einer Familie

Konzerne ähneln Familien. Es gibt Mütter, Töchter und Schwestern. In der herkömmlichen Konzernstruktur existiert eine Mutter als Obergesellschaft, die die Anteile an anderen Gesellschaften, ihren Töchtern, hält. Letztere können wiederum über Töchter verfügen. Etwas anders gilt im Fall von Gemeinschaftsunternehmen, die zwei Mütter haben, sodass mehr als eine Konzernobergesellschaft besteht. Natürlicherweise haben Eltern eines Kindes Anreize, sich abzusprechen. Nichts Anderes gilt bei den Müttern eines Gemeinschaftsunternehmens, die sich über das Gemeinschaftsunternehmen koordinieren können.

Da das sog. Konzernprivileg zwischen den beiden Müttern eines Gemeinschaftsunternehmens im Grundsatz nicht gilt, kommt an dieser Stelle das Kartellrecht ins Spiel. Besonderes Augenmerk verdient neben der materiellen Bewertung des Gemeinschaftsunternehmens auch der Ablauf des kartellbehördlichen Verfahrens. Dies mussten in jüngster Zeit auch die Deutsche Telekom AG und die EWE AG im Rahmen eines Verfahrens des Bundeskartellamtes lernen (BKartA, Beschl. v. 94.12.2019, Az. B7-21/18).

Glasfaser NordWest

Die Telekom Deutschland GmbH, eine 100%ige Tochter der Deutschen Telekom, und die EWE, ein Versorgungsunternehmen im Eigentum kommunaler Gebietskörperschaften, planen die Gründung der Glasfaser NordWest GmbH und Co. KG. Die Telekom und die EWE haben vor, jeweils gemeinsame Kontrolle an der Glasfaser NordWest zu erwerben. Die EWE bietet ebenso wie die Telekom Telekommunikations-Dienstleistungen an. Die Glasfaser NordWest soll eine Glasfasernetzinfrastruktur im Versorgungsgebiet der EWE planen, bauen und betreiben.

Aufgrund eines vertraglichen Wettbewerbsverbotes zugunsten der Glasfaser NordWest dürfen die Telekom und die EWE keine der Glasfaser NordWest ausschließlich zugewiesenen Tätigkeiten im Gebiet der Glasfaser NordWest erbringen. Zu diesen Leistungen gehören insbesondere der Ausbau und Betrieb des Netzes und der Vertrieb von über dieses Netz bereitgestellten Vorleistungen.

Verfahren bei Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens

Wenn beide Mutterunternehmen gemeinsame Kontrolle erwerben, wie im Fall der Glasfaser NordWest geplant, erfüllt die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens den Zusammenschlusstatbestand jedenfalls des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens ist wie jeder andere Zusammenschluss i.S.d. § 37 GWB anmeldepflichtig, wenn die beteiligten Unternehmen die Aufgreifschwellen des § 35 GWB überschreiten.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens nach ständiger Rechtsprechung des BGH aber auch die Gefahr kartellrechtswidriger Absprachen zwischen den Mutterunternehmen hervorrufen, die die Kartellbehörde am Maßstab des § 1 GWB ebenfalls prüfen kann. In diesem Fall findet eine Doppelkontrolle statt. Das Bundeskartellamt hat sich in der Sektoruntersuchung Walzasphalt eingehend mit unterschiedlichen Konstellationen von Gemeinschaftsunternehmen auseinandergesetzt.

Anders als nach Art. 2 Abs. 4 FKVO im Rahmen der europäischen Zusammenschlusskontrolle ist die Prüfung möglicher Wettbewerbsbeschränkungen durch die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens im Fall der Zuständigkeit des Bundeskartellamtes nicht in das Zusammenschlussverfahren nach §§ 35 ff. GWB integriert. Vielmehr eröffnet das Bundeskartellamt gegebenenfalls parallel zum Zusammenschlusskontrollverfahren ein Kartellverwaltungsverfahren nach § 1 i.V.m. § 32 GWB. In diesem Verfahren ist das Bundeskartellamt insbesondere nicht an die Frist nach § 40 Abs. 1 und Abs. 2 GWB gebunden, das selbst bei Einleitung eines Hauptprüfungsverfahrens höchstens vier Monate dauern kann.

Frei von kartellrechtlichen Bedenken sind einzig rein konzentrative Gemeinschaftsunternehmen, die sämtliche Funktionen eines selbstständigen Unternehmens wahrnehmen, marktbezogene Leistungen erbringen und nicht ausschließlich oder überwiegend auf einer vor- oder nachgelagerten Stufe für die Muttergesellschaften sowie nicht auf demselben Markt wie die Mütter tätig sind. Die Glasfaser NordWest erfüllt diese Voraussetzungen nach Auffassung des Bundeskartellamtes allerdings nicht.

Da das Bundeskartellamt wettbewerbliche Bedenken gegen die Gründung der Glasfaser NordWest durch die Telekom und die EWE hatte und auch nicht ohne weiteres von einer Einzelfreistellung der Wettbewerbsbeschränkungen nach § 2 GWB ausging, boten die Beteiligten zwar Verpflichtungen an, um die wettbewerblichen Bedenken des Bundeskartellamtes auszuräumen. Das Bundeskartellamt sah die angebotenen Verpflichtungen auch als hinreichend geeignet an um die Bedenken auszuräumen und erklärte sie gemäß § 32b Abs. 1 GWB für bindend. Natürlicherweise nahm das Verfahren aber einige Zeit in Anspruch. Das Fusionskontrollverfahren begann am 31.03.2019, als die Beteiligten das Vorhaben beim Bundeskartellamt anmeldeten, während das erst am 04.06.2019 förmlich eingeleitete Kartellverwaltungsverfahren erst mit Erlass des Beschlusses nach § 32b Abs. 1 GWB am 04.12.2019 und somit erst über acht Monate später endete.

Ergebnis

Planen Unternehmen, ein Gemeinschaftsunternehmen zu gründen, sind somit nicht nur etwaige fusionskontrollrechtliche Fragen im Blick zu behalten. Daneben ist auch ausreichend Zeit für ein Kartellverwaltungsverfahren einzuplanen, das keinen gesetzlichen Fristen unterliegt.

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