„Kauf bricht nicht Miete“ Analoge Anwendung von § 566 Abs. 1 BGB im Ausnahmefall auch bei fehlender Identität zwischen Vermieter und Veräußerer

Der BGH hat in seiner neuen Entscheidung (Urteil vom 12.07.2017, AZ: XII ZR 26/16) anknüpfend an seine bisherige Rechtsprechung aus dem Jahr 2008 nochmals bestätigt, dass eine analoge Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB in Ausnahmefällen trotz fehlender Identität zwischen Vermieter und Veräußerer (Eigentümer) zulässig ist.

HINTERGRUND

Gemäß § 566 Abs. 1 BGB tritt der Erwerber eines Grundstücks anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Mit dem Eigentumsübergang entsteht ein neues Mietverhältnis zwischen dem Erwerber des Grundstücks und dem Mieter mit dem gleichen Inhalt, mit dem es zuvor mit dem Veräußerer bestanden hat. Über die Verweisungsvorschrift des § 578 BGB ist die Vorschrift des § 566 BGB auch auf ein gewerblich vermietetes Grundstück anwendbar.

Nach seinem Wortlaut findet § 566 Abs. 1 BGB allerdings nur dann Anwendung, wenn das vermietete Grundstück durch den Vermieter veräußert wird, also nur dann, wenn Identität zwischen Eigentümer, Veräußerer und Vermieter besteht. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ auch bei fehlender Personenidentität zwischen Veräußerer und Vermieter angewendet werden kann, war bislang umstritten.

Mit seiner Entscheidung vom 12.07.2017 hat der Bundesgerichtshof nunmehr Anhaltspunkte gegeben, unter welchen Voraussetzungen eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 566 Abs. 1 BGB in Betracht kommen kann.

GRUNDSÄTZE DER BGH-RECHTSPRECHUNG

Der BGH hat entschieden, dass die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB jedenfalls dann vorliegen, wenn die Vermietung des veräußerten Grundstücks mit Zustimmung des Eigentümers und in dessen alleinigem wirtschaftlichen Interesse erfolgt und der Vermieter kein eigenes Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses hat.

In den Entscheidungsgründen führt der XII. Senat insoweit aus, dass der in § 566 BGB geregelte Eintritt des Erwerbers in ein bestehendes Mietverhältnis dem Schutz des Mieters dient. Die dem Mieter von seinem Vertragspartner eingeräumte Rechtstellung – der berechtigte Besitz – soll ihm auch gegenüber einem späteren Erwerber des Grundstücks erhalten bleiben. Der Schutzzweck der Vorschrift rechtfertigt es nach Auffassung des XII. Senates, die Vorschrift des § 566 BGB nicht nur dann anzuwenden, wenn das Mietobjekt unmittelbar vom Eigentümer des Mietobjekts gemietet wird, sondern in bestimmten Ausnahmefällen auch dann, wenn ein Nichteigentümer den Mietvertrag im eigenen Namen, aber mit  Zustimmung des Eigentümers abschließt.

Ein solcher Ausnahmefall sei gegeben, wenn die Vermietung im alleinigen wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers erfolgt. Damit stellt sich die Frage, wann ein Handeln des Vermieters im alleinigen wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers erfolgt. Auch hierzu hat der XII. Senat Hinweise gegeben. Danach kann ein Handeln des Vermieters im alleinigen wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers insbesondere in folgenden Fällen vorliegen:

  • Der Vermieter wird von dem Eigentümer nur aus „strategischen Gründen“ ins Leben gerufen.
  • Ungeachtet der Vermietung durch eine eigenständige nicht mit dem Eigentümer identische Gesellschaft werden Mietverträge nur auf Anweisung des Grundstückseigentümers abgeschlossen.
  • Ungeachtet der Vermietung durch eine eigenständige nicht mit dem Eigentümer identische Gesellschaft wird die Immobilie durch den Eigentümer verwaltet und dieser zieht auch die Miete ein.
  • Der Eigentümer hat sich durch entsprechende vertragliche Regelung zum Eintritt in den Mietvertrag bereit erklärt, falls das Vertragsverhältnis zwischen dem Vermieter und dem Eigentümer beendet wird.
  • In dem zwischen dem Eigentümer und dem Erwerber abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag wird der Mietvertrag so behandelt, als sei der Eigentümer Mietvertragspartei.

In dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt lagen sämtliche vorstehend genannten Indizien kumulativ vor.

FAZIT

Grundstückserwerber werden sich nach der neuen BGH-Rechtsprechung darauf einstellen müssen, dass diese auch bei fehlender Personenidentität zwischen Veräußerer und Vermieter an Mietverträge gebunden bleiben, wenn dem Mieter der Nachweis gelingt, dass die Vermietung des veräußerten Grundstücks mit Zustimmung des Eigentümers und im alleinigen wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers erfolgt ist. Nach der zu erkennenden Tendenz in der BGH-Rechtsprechung wird dem Mieterschutz Vorrang vor dem Interesse des Grundstückserwerbers an der Beendigung des Mietverhältnisses eingeräumt. Der von § 566 Abs. 1 BGB gewährte Mieterschutz soll insbesondere nicht dadurch umgangen werden können, dass der Eigentümer nicht selbst den Mietvertrag abschließt sondern eine dritte Person einschaltet, die formal als Vermieter auftritt, letztendlich aber allein im Interesse des Eigentümers handelt – so der XII. Senat in der Entscheidung vom 12.07.2017.

Autorin

  • Mietrecht
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