Kein Aprilscherz: Gleich zwei Bußgelder für das (Anti-)Recycling-Kartell

11. April 2025
Dr. Lukas Lettau

Am 1. April 2025 hat die Europäische Kommission Bußgelder gegen 15 Automobilhersteller und einen Verband wegen kartellrechtswidriger Absprachen beim Recycling sog. Altfahrzeuge in Höhe von insgesamt EUR 458 Mio. verhängt (AT.40669). Auch die britische Wettbewerbsbehörde CMA verhängte am selben Tag wegen derselben Vorwürfe Bußgelder gegen 10 Hersteller und 2 Verbände in Höhe von insgesamt 77 Mio. Pfund.

Viele Beteiligte, viele Geständnisse

Betroffen waren die großen Namen der Branche. Die höchsten Bußgelder verhängte die Kommission gegen VW (EUR 127 Mio.), Renault/Nissan (EUR 81 Mio.) und Stellantis (EUR 74 Mio.). Mercedes-Benz hatte 2019 die Absprachen als Kronzeuge aufgedeckt und blieb daher straffrei. Bemerkenswert: sämtliche (!) Unternehmen räumten ihre Beteiligung im Rahmen eines Vergleichs mit der Kommission ein. Im Gegenzug erhielten sie jeweils einen Abschlag auf ihr Bußgeld in Höhe von 10%. Stellantis, Mitsubishi und Ford stellten darüber hinaus jeweils einen Kronzeugenantrag. Obwohl dies erst nach weiteren Untersuchungen der Kommission und rund drei Jahre nach dem Antrag von Mercedes-Benz erfolgte, erhielten die Unternehmen dennoch weitere Bußgeldreduzierungen zwischen 20% und 50%. Der Verband ACEA muss EUR 500.000 bezahlen.

Die CMA verhängte die höchsten Bußgelder gegen Ford (18 Mio. Pfund), VW (14 Mio. Pfund) und BMW (11 Mio. Pfund). Auch hier blieb Mercedes-Benz als Kronzeuge das Bußgeld erspart und auch hier kooperierten sämtliche Hersteller mit der Behörde, sodass die Bußgelder sogar um jeweils 20% reduziert wurden.

Absprachen über die Verwertung schrottreifer PKW

Den Unternehmen wurden zwei unterschiedliche Absprachen vorgeworfen, die beide den Umgang mit Fahrzeugen am Ende ihrer Fahrtüchtigkeit betrafen. Die Absprachen liefen überwiegend von Mai 2002 bis September 2017 (bzgl. einzelner Unternehmen mit Abweichungen). Ausgangspunkt waren Pflichten, die den Herstellern durch die Richtlinie 200/53/EG über Altfahrzeuge auferlegt wurden:

Die Hersteller haben die Kosten für die Verwertung eines nicht mehr fahrtüchtigen Fahrzeugs in einem Demontagebetrieb zu tragen (Art. 5). Hier sprachen sich die Hersteller ab, Demontagebetriebe für die Aufarbeitung der Fahrzeuge nicht zu vergüten.
Die Hersteller sind verpflichtet, Verbrauchern Informationen zur sach- und umweltgerechten Behandlung von Altfahrzeugen zur Verfügung zu stellen (Art. 8). Hier sprachen sich die Hersteller ab, nicht aktiv zu bewerben, wie viele Teile von Altfahrzeugen wiederverwendbar sind und in welchem Ausmaß recyceltes Material in Neuwagen eingebaut wird.
Den Verbänden ACEA und SMMT wurde vorgeworfen, die Absprachen unterstützt und organisiert zu haben.

Kfz, Umweltschutz, Kartellabsprachen – da war doch was…?

Es ist nicht die erste Kartellabsprache mit Bezügen zur Nachhaltigkeit, die die Europäische Kommission im Automobilsektor ahndet. 2021 verhängte sie Bußgelder in Höhe von insgesamt EUR 875 Mio. gegen Daimler, BMW und den Volkswagen-Konzern (inklusive Audi und Porsche) (AT.40178). Damals hatten sich die Unternehmen abgesprochen, bei der Entwicklung von Technologien zur Abgasreinigung nicht miteinander in Konkurrenz zu treten. Dadurch nahmen sie sich gegenseitig den Druck, über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Technologien zu entwickeln.

Ein identisches Ziel stellte die Kommission nun auch im (Anti-)Recycling-Kartell fest. Gegenüber Verbrauchern sollte das Thema der Verwertung von Altfahrzeugen möglichst klein gehalten werden, um den Unternehmen Druck zu nehmen, über gesetzliche Anforderungen hinaus Maßnahmen ergreifen zu müssen. Die Altfahrzeuge-Richtlinie bezweckt die Vermeidung von Fahrzeugabfällen und die Förderung von Wiederverwendung, Recycling und anderen Formen der Verwertung (Art. 1). Die dabei anfallenden Kosten haben die Hersteller zu tragen.

Genügen 2 Fälle zur Annahme eines Trends? Die Gemeinsamkeiten zwischen dem (Anti-)Recycling-Kartell und dem PKW-Abgas-Kartell sind jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Die Kommission beschränkt sich in der Kartellverfolgung schon lange nicht mehr auf klassische Preisabsprachen, sondern verfolgt auch sonstige wettbewerbsbeschränkenden Absprachen. Der hier zutage tretende Fokus auf Nachhaltigkeits- und Umweltschutzthemen kommt dabei nicht gänzlich überraschend.