Keine actio pro socio gegen Geschäftsführer der Komplementär-GmbH

Ende 2017 hat der Bundesgerichtshof (BGH) zu der in der juristischen Fachliteratur bislang umstrittenen Frage Stellung genommen, ob den Kommanditisten einer GmbH & Co. KG der unmittelbare Durchgriff auf den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH wegen Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft in Folge der Verletzung von Geschäftsführerpflichten ermöglicht werden muss.

Mit Urteil vom 19.12.2017 (Az.: II ZR 255/16) hat der BGH dies nunmehr verneint. Danach komme weder eine actio pro socio noch eine actio pro societate in Betracht. Der amtliche Leitsatz der Entscheidung lautet wie folgt:

"Ein Kommanditist einer GmbH & Co. KG kann nicht Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH geltend machen."

Worum ging es?

Die Kläger sind zu je ½ die Erben der im Dezember verstorbenen Frau T. (Erblasserin). Diese war alleinige Kommanditistin der A. GmbH & Co. KG (im Folgenden A. KG) und alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH.

Der ursprünglich Beklagte war seit 1978 Steuerberater, Vermögensverwalter und Generalbevollmächtigter der Erblasserin. Seit 2003 war er alleiniger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH.

Er erwarb mit Kaufvertrag vom 6. Oktober 2006 ein Grundstück in D. zu einem Kaufpreis von 7,2 Mio. € für die A. KG. Der ursprüngliche Beklagte unterzeichnete den Kaufvertrag in Vertretung der Komplementär-GmbH, diese wiederum handelte in Vertretung für die A. KG. In der Zwischenzeit verstarb der ursprünglich Beklagte und wurde von den jetzigen Beklagten beerbt.

Die Kläger machen geltend, dass der ursprüngliche Beklagte das in Rede stehende Grundstück wissentlich zu einem weit überhöhten Kaufpreis erworben habe und verlangen Schadensersatz.

Keine actio pro socio

Der BGH führt aus, dass die Kläger einen Anspruch der A. KG auf Zahlung von Schadensersatz gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG analog für die Gesellschaft in eigenem Namen geltend machen. Dafür fehle ihnen aber die Prozessführungsbefugnis. Anders als noch das Berufungsgericht vertreten hat, könne die Prozessführungsbefugnis nicht auf eine actio pro socio gestützt werden.

Als actio pro socio wird die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Gesellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft bezeichnet.

Mit einem Schadensersatzanspruch der Kommanditgesellschaft gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH werde jedoch kein Anspruch gegen einen Mitgesellschafter geltend gemacht, sondern gegen einen Nichtgesellschafter.

Die Einziehung bzw. Geltendmachung von Schadensersatzforderungen der Kommanditgesellschaft gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG analog gegen den Fremdgeschäftsführer obliege deren geschäftsführenden Gesellschafterin, der Komplementär-GmbH, und eben nicht allen Gesellschaftern.

Dementsprechend habe der BGH auch in seinen bisherigen Entscheidungen zwar eine actio pro socio für Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegen einen geschäftsführenden Gesellschafter für möglich angesehen, eine actio pro socio gegenüber Dritten, also Nichtgesellschaftern, aber nicht in Erwägung gezogen.

Keine actio pro societate

Des Weiteren verneint der BGH auch eine actio pro societate. Darunter versteht man die Geltendmachung eines Anspruchs der Gesellschaft gegen einen Dritten durch einen Gesellschafter.

Entgegen einer in der juristischen Fachliteratur teilweise vertretenen Ansicht, wonach den Kommanditisten einer GmbH & Co. KG der unmittelbare Durchgriff auf den Fremdgeschäftsführer wegen Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft in Folge der Verletzung von Geschäftsführerpflichten ermöglicht werden muss, wenn dafür ein besonderes persönliches Interesse besteht, verneint der BGH ein entsprechendes Bedürfnis für einen solchen unmittelbaren Durchgriff.

Die Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers bei der Geschäftsführung für die GmbH als Komplementärin und zugleich für die Kommanditgesellschaft müsse sich im Innenverhältnis zwischen Komplementär-GmbH und Kommanditgesellschaft erstere nach § 31 BGB zurechnen lassen.

Die Komplementär-GmbH sei damit gegenüber der Kommanditgesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet, habe aber selbst einen Ersatzanspruch gegen ihren Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG. Der Anspruch der KG gegen die Komplementär-GmbH könne von den Kommanditisten im Wege der actio pro socio geltend gemacht werden.

Den Kommanditisten sei es auch möglich, einen Titel gegen die Komplementär-GmbH zu erstreiten und daraus in deren Anspruch gegen ihren Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG zu vollstrecken.

Zusammenfassung und Ausblick

Der BGH erteilt der in der juristischen Fachliteratur teilweise vertretenen Ansicht, bei einem besonderen Interesse könne auch ein Fremdgeschäftsführer unmittelbar von einem Kommanditisten in Anspruch genommen werden, eine klare Absage.

Eine actio pro socio erfasse nur Ansprüche gegen Mitgesellschafter und könne schon deshalb nicht gegen einen Nichtgesellschafter zur Anwendung kommen. Aber auch für eine actio pro societate fehle das Bedürfnis, da die Komplementär-GmbH selbst aus der actio pro socio hafte und deren Anspruch gegen den Geschäftsführer gepfändet werden könne.

Durch das Aufzeigen der Möglichkeit, einen Titel gegen die Komplementär-GmbH zu erstreiten und daraus in deren Anspruch gegen ihren Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG zu vollstrecken, zeichnet der BGH zugleich den praktischen Weg vor, wie Kommanditisten zukünftig in solchen Konstellationen zu verfahren haben.

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