Keine Mindestdauer für die Bestellung von Mitgliedern des Vorstands

Das Oberlandesgericht München hatte in einer aktuellen Entscheidung über die Bestellung eines Interimsvorstands einer Aktiengesellschaft zu entscheiden. Dieser sollte für die Dauer von ca. acht Monaten bestellt werden. Bei der Abstimmung im Aufsichtsrat kam es zu einer Pattsituation: Es stimmten jeweils drei Mitglieder des Aufsichtsrats für und gegen die Bestellung des Interimsvorstands. Laut Satzung der Gesellschaft gab daher die Stimme des Aufsichtsratsvorsitzenden den Ausschlag, der für die Bestellung des Interimsvorstands votierte. Ein Mitglied des Aufsichtsrats klagte u.a. mit Verweis auf die angeblich mangelnde Qualifikation des neu bestellten Vorstandsmitglieds gegen dessen Bestellung.

WIRKSAMKEIT DER BESTELLUNG DES VORSTANDS

Beschlüsse des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft, die gegen zwingende gesetzliche oder satzungsmäßige Vorgaben verstoßen, sind nichtig. Dies war nach Auffassung des Oberlandesgerichts München in der von ihm zu entscheidenden Konstellation nicht der Fall. Die Bestellung für lediglich acht Monate führe nicht zur Nichtigkeit der Bestellung. Das Aktiengesetz enthalte in § 84 Abs. 1 Satz 1lediglich eine Höchstdauer von fünf Jahren für die Bestellung von Mitgliedern des Vorstands und keine Mindestdauer. Zwar könne der Aufsichtsrat bei einer sehr kurzen Bestellung von Vorstandsmitgliedern pflichtwidrig handeln, jedoch ist eine kürzere Amtszeit von Vorständen im Einzelfall zulässig und im Übrigen nicht nichtig.

WEITES ERMESSEN DES AUFSICHTSRATS BEI DER AUSWAHL DES VORSTANDS

Beschlüsse des Aufsichtsrats können außerdem unwirksam sein, wenn er seinen Ermessenspielraum überschreitet. Der Aufsichtsrat hat bei der Auswahl geeigneter Kandidaten für den Vorstand allerdings ein weites Ermessen, das vorliegend nicht überschritten wurde. Bei der Auswahl von Mitgliedern des Vorstands ist darauf zu achten, dass sie in persönlicher und fachlicher Hinsicht die nötigen Qualifikationen für ihr Amt erfüllen. Dabei muss der Aufsichtsrat seine Entscheidung auf eine angemessene Informationsgrundlage stützen, was vorliegend laut Oberlandesgericht München der Fall war.

KEIN UMKEHRSCHLUSS ZUR „BUSINESS JUDGMENT RULE“

Das Oberlandesgericht München hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass eine Entscheidung des Aufsichtsrats ohne hinreichende Informationsgrundlage nicht automatisch eine Pflichtverletzung darstellt. Nach der sogenannten „Business Judgement Rule“ (§§ 116 Satz 193 Abs. 1 Satz 2 AktG) sind Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft bei unternehmerischen Entscheidungen verpflichtet, ihre Entscheidung aufgrund einer angemessenen Informationsgrundlage zu treffen. Bei der Auswahl geeigneter Vorstandsmitglieder handelt es sich um eine derartige, unternehmerische Entscheidung. Jedoch scheidet eine Pflichtverletzung des Aufsichtsrats aus, „wenn er eine Ermessensentscheidung trifft, die zwar auf mangelnder Informationsbasis beruht, aber dennoch im Ergebnis nicht zu beanstanden und nicht pflichtwidrig ist.

PRAXISHINWEIS

Es gibt keine gesetzliche Mindestbestelldauer für Vorstandsmitglieder. Eine Bestellung von Vorstandsmitgliedern für weniger als ein Jahr ist nicht zwangsläufig pflichtwidrig und kommt etwa in Sanierungsfällen in Betracht.

Der Aufsichtsrat hat bei der Bestellung von Mitgliedern des Vorstands ein weites, unternehmerisches Ermessen. Die „Business Judgement Rule“ wird nicht verletzt, wenn eine unternehmerische Entscheidung trotz mangelnder Informationsbasis im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.

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