Keine pauschale Mietanpassung aufgrund von Schließungsverfügungen – Urteil des OLG Hamm

Seit Beginn der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Schließungsverfügungen für Teile des Einzelhandels beschäftigen insbesondere Rechtsstreitigkeiten im gewerblichen Mietrecht die Gerichte. Eine aktuelle, noch nicht rechtskräftige Entscheidung des OLG Hamm (Urteil vom 24.09.2021 – 30 U 114/21) setzt neue Maßstäbe für die Darlegungs- und Beweislast des Mieters.

Die Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm hatte über eine ausstehende Mietzahlung von April 2020 zu entscheiden. Der betroffene Betrieb des Mieters (ein deutschlandweit tätiger Gebrauchtwagenhandel) war aufgrund der Corona-Schutzverordnung des Landes NRW im Zeitraum vom 18.03.2020 – 20.04.2020 vollständig geschlossen.

Zunächst hat sich das OLG Hamm der insoweit einhelligen Rechtsprechung angeschlossen, dass die Schließungsverfügung weder einen Anspruch auf Mietminderung gem. § 536 I BGB begründet noch die Mietzahlungspflicht gem. §§ 326 I, 275 BGB entfallen lässt. Anders als viele andere Gerichte verneinte das OLG Hamm aber die Voraussetzungen einer Mietanpassung nach § 313 I BGB.

In der Entscheidung hatte der Mieter allein vorgetragen, dass aufgrund der Schließungsverfügung der Betrieb im April 2020 vollständig habe eingestellt werden müssen und das auch in den Monaten danach ein Rückgang von Angebot und Nachfrage von 80% zu verzeichnen gewesen sei. Diese Ausführungen genügten dem Senat nicht, um eine Unzumutbarkeit der ungekürzten Mietzahlung anzunehmen. Zwar liege nach der gesetzlichen Vermutung des Art. 240 § 7 I EGBGB eine schwerwiegende Störung der gemeinsamen Geschäftsgrundlage vor. Ob eine Anpassung der Miete im Einzelfall möglich sei, müsse jedoch stets anhand einer umfassenden Interessenabwägung entschieden werden. Der Senat führte aus, dass allein aufgrund der Schließungsverfügung nicht auf die konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen für den Geschäftsbetrieb geschlossen werden könne. Erforderlich sei vielmehr eine umfassende und substantiierte Darlegung aller Vor- und Nachteile, um eine Unzumutbarkeit begründen zu können.

Fazit und Ausblick

Anders als einige vorausgegangene Entscheidungen (etwa OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2021 – 5 U 1782/20) spricht sich das OLG Hamm gegen eine pauschale Kürzung der Miete während staatlich angeordneter Schließungen aus. Offen lässt der Senat hingegen die Frage, ob eine Anpassung nach § 313 BGB aufgrund der gesetzlichen Risikoverteilung (das Verwendungsrisiko trägt im gewerblichen Mietrecht der Mieter) überhaupt infrage kommt. Wie sich der BGH zu diesen Fragen positionieren wird, bleibt abzuwarten.

Soll eine Mietanpassung erfolgen, so hat der Mieter nun umfassend zu allen Vor- und Nachteilen vorzutragen, die aus seiner Sicht insgesamt eine Unzumutbarkeit der vollen Mietzahlung begründen. Neben den wirtschaftlichen Einbußen hat der Mieter also auch zu etwaig ersparten Aufwendungen und Vorteilen vorzutragen (z. B. Kurzarbeitergeld, Soforthilfen). Im Hinblick auf diese Neuerung ist eine individuelle Rechtsberatung für Mieter und Vermieter eine lohnende Investition.