Im Falle eines verschuldeten Zahlungsrückstandes des Wohnraummieters im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB hat der Vermieter die Wahl, ob er nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGBaußerordentlich fristlos aus wichtigem Grund kündigt oder nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB die ordentliche Kündigung zum nächst zulässigen Termin (unter Einhaltung der Kündigungsfristen) ausspricht. Verschulden des Zahlungsrückstandes, der für eine ordentliche Kündigung Voraussetzung wäre, wird regelmäßig anzunehmen sein, insbesondere nachdem der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 04.05.2015, AZ. VIII ZR 175/14 klargestellt hat, dass eine Leistungsunfähigkeit aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten den Mieter auch dann nicht von den Folgen des Ausbleibens der (rechtzeitigen) Leistung befreit, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruht. Für finanzielle Leistungsfähigkeit habe auch ein Mieter ohne Rücksicht auf finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (und zwar auch dann, wenn der Mieter auf Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle angewiesen ist).
Nachholrecht macht Kündigung unwirksam
Im Falle einer außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund findet im Wohnraummietrecht die Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zum sog. Nachholrecht des Mieters Anwendung. Danach wird die außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruches hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Das Nachholrecht gilt lediglich dann nicht, wenn der Kündigung vor nicht länger als zwei Jahren bereits eine nach Maßgabe des Nachholrechtes unwirksam gewordene Kündigung vorausgegangen ist.
Möglichkeit der Umgehung des Nachholrechts
Der Vermieter wird im Falle eines säumigen Mieters oftmals aber kein Interesse an der Fortsetzung des Mietverhältnisses haben, auch wenn der Mietrückstand nachträglich vom Mieter ausgeglichen wird. Es bleibt immer das Risiko, dass ein einmal säumig gewordener Mieter auch zukünftig mit Mietzahlungen wieder in Zahlungsverzug geraten wird und der Vermieter dann (ggfs. mit Zeit- und Kostenaufwand) wieder tätig werden muss. Vor dem Hintergrund des Nachholrechts des Mieters ist es daher regelmäßig sinnvoll, die außerordentliche fristlose Kündigung mit einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung zu verbinden. Beide Kündigungen bestehen dann nebeneinander.
Dieses Vorgehen hat sich in der Praxis spätestens seit der Entscheidung des BGH vom 16.02.2005 AZ: VIII ZR 6/04 durchgesetzt, in welcher der BGH entschieden hat, dass das für fristlose Kündigungen geltende Nachholrecht des Mieters auf ordentliche Kündigungen nicht (auch nicht analog) angewendet werden kann, weil der Zweck der Regelung zum Nachholrecht es rechtfertige, die Wirkungen der sog. „Schonfristzahlung" des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB auf die fristlose Kündigung zu beschränken.
Verbleibende Risiken nach der jüngsten BGH-Rechtsprechung
In seiner jüngsten Entscheidung vom 23.02.2016 hat der BGH seine Rechtsprechung nochmals bestätigt, dass das für fristlose Kündigungen geltende Nachholrecht des Mieters auf ordentliche Kündigungen nicht anwendbar ist (BGH, Beschluss vom 23.02.2016 AZ: VIII ZR 321/14). Die von einigen Obergerichten vertretene Rechtsauffassung, dass eine ordentliche Kündigung immer dann rechtsmissbräuchlich sei, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es künftig zu erneuten Zahlungsrückständen kommen werde, hat der BGH ausdrücklich als nicht zutreffend erachtet. Der BGH hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass diese Sichtweise letztendlich auf eine unzulässige analoge Anwendung der nur für die fristlose Kündigung geltenden Schonfristregelung hinausliefe.
Allerdings hat der BGH gleichzeitig durch Beschluss festgestellt, dass die Durchsetzung des auf eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs gestützten Räumungsanspruchs mit Rücksicht auf Treu und Glauben unzulässig sein könne, wenn besondere Umstände festzustellen sind, die einer Durchsetzung des Räumungsanspruchs entgegenstehen könnten.
Praxishinweis
Damit ist festzuhalten, dass der hilfsweise Ausspruch einer ordentlichen Kündigung neben einer außerordentlichen fristlosen Kündigung im Hinblick auf das Nachholrecht des Mieters keinesfalls ein Selbstläufer ist und dringend zu empfehlen ist, vor Erhebung der Räumungsklage zu prüfen, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Mieter den Mietrückstand zeitnah begleichen könnte und ob besondere Umstände vorliegen könnten, die zur Unzulässigkeit der Kündigung nach Treu und Glauben führen könnten. In diesem Fall wäre ggfs. zu prüfen, ob zusätzlich zum Zahlungsverzug weitere Tatbestände vorliegen, auf welche eine Kündigung (zusätzlich) gestützt werden könnte, um eine spätere Unwirksamkeit der Kündigung zu vermeiden.