Keine verfassungsrechtliche Pflicht zum sofortigen Kohleausstieg

Nicht zuletzt infolge der aufsehenerregenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zieht das Thema Klimaschutz auch in der Rechtswissenschaft und der Rechtsprechung immer weitere Kreise (wie schon mein Kollege Magnus Wessels jüngst zusammenfasste). Wesentlicher Streitpunkt der öffentlichen Diskussion ist dabei auch die Frage des Zeitpunktes des deutschen Kohleausstiegs, die sich regelmäßig rund um die rheinischen Braunkohletagebaue Hambach und Garzweiler II neu endzündet und in verschiedensten Konstellationen die Gerichte beschäftigt.

Nun war das Verwaltungsgericht Aachen im Rahmen eines Eilantrags unter anderem mit einer verfassungsrechtlichen Fragestellung konfrontiert, die auch vom oben genannten Beschluss des BVerfG inspiriert gewesen sein dürfte. Streng genommen richtete sich das Eilverfahren gegen die sog. vorzeitige Besitzeinweisung der Tagebaubetreiberin in vom Tagebau zukünftig beanspruchte Grundstücke. In diesem Zusammenhang wurde jedoch die Frage aufgeworfen, ob die politische Entscheidung von Bund und Ländern, den energiewirtschaftlichen Bedarf am Rohstoff Braunkohle jedenfalls für die nächsten Jahre festzustellen, unvereinbar sei mit der verfassungsrechtlichen Staatszielbestimmung aus Art. 20a GG, die den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in Verantwortung für künftige Generationen vorsieht. Wir erinnern uns: Das BVerfG kam in der Klimaschutzentscheidung nicht nur zu dem Ergebnis, dass Art. 20a BVerfG eine Verpflichtung des Staates zum Klimaschutz enthält. Es wies darauf hin, dass zu geringe Anstrengungen zu diesem Zeitpunkt dazu führen würden, dass zukünftige Generationen mit erheblich stärkeren Freiheitseinschränkungen infolge von Klimaschutzmaßnahmen belastet werden müssten. Das Gebot „intertemporaler Freiheitssicherung“ gebiete daher, die notwendigen Belastungen zum Schutz des Klimas verhältnismäßig über die Zeit und die Generationen zu verteilen.

Das VG Aachen zog hieraus jedoch nicht den von den Antragstellern dargelegten Schluss, die Braunkohleverstromung sei schon heute verfassungswidrig. Vielmehr führte es aus, dass sich Art. 20a GG noch nicht dahingehend „verdichtet“ habe, dass ein sofortiger Kohleausstieg geboten und die gesetzgeberisch festgelegte Gemeinwohldienlichkeit der Braunkohleverstromung offensichtlich unvereinbar mit dem Grundgesetz sei. Dies gelte jedenfalls solange, wie noch eine gewisse Bandbreite verfassungskonformer Alternativen bestünde.

Dieses Ergebnis überrascht nicht. Das liegt freilich schon daran, dass sich erstinstanzliche Eilverfahren üblicherweise nicht zu derart weitreichenden Entscheidungen eignen. Aber auch inhaltlich spricht die Klimaschutzentscheidung des BVerfG zunächst den Gesetzgeber an, im abgesteckten verfassungsrechtlichen Rahmen tätig zu werden und die dort verbleibenden Handlungsoptionen politisch abzuwägen. Den Gerichten kommt dabei die Aufgabe zu, den eingeschlagenen Weg zu kontrollieren, nicht jedoch, ihn punktgenau vorzuzeichnen.