Kennen wir nicht, gibt es nicht (mehr) - Die Anerkennung ausländischer Rechtsinstitute des Erbrechts in Deutschland

Internationale Erbfälle sind nicht selten mit besonderen Schwierigkeiten für alle Beteiligten verbunden. Als besonders problematisch stellen sich Fälle dar, in denen ausländisches Erbrecht zur Entscheidung berufen ist und dieses in Deutschland Anwendung finden soll. Dabei kann es vorkommen, dass das ausländische Recht Rechtsinstitute vorsieht, die dem deutschen Recht unbekannt sind. Probleme bereitet in diesem Zusammenhang das sog. "Vindikationslegat", das z.B. im belgischen, französischen, polnischen und italienischen Recht vorgesehen ist.

Dabei handelt es sich um eine - dem deutschen Recht unbekannte -Vermächtnisart. Erhält ein Begünstigter ein Vindikationslegat, erwirbt er mit Eintritt des Erbfalls direkt Eigentum an der vermachten Sache, während aus deutscher Sicht zunächst der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers Eigentum an allen Nachlassgegenständen erwirbt und erst im Anschluss Eigentum und Besitz am Vermächtnisgegenstand auf den Vermächtnisnehmer übertragen muss.

Wie mit einem solchen ausländischen Vindikationslegat in Deutschland umzugehen ist, wurde bereits vor knapp 100 Jahren vom Reichsgericht entschieden und seit dem kaum angezweifelt: Es galt Sachenrechtsstatut vor Erbstatut, was bedeutet, dass sich das ausländische Erbrecht in diesem Fall dem deutschen Sachenrecht fügen musste. Das ausländische Rechtsinstitut wurde lediglich in ein dem deutschen Recht bekanntes Institut "übersetzt". Der Erbe erhielt - trotz anderweitiger testamentarischer Anordnung durch den Erblasser und Vorgaben im ausländischen Recht - bloß einen Anspruch auf Übertragung der vermachten Sache gegen den Erben.

Besondere Umstände bereitete dies, wenn im Wege des Vindikationslegats ein Grundstück vermacht wurde. Erbe und Vermächtnisnehmer mussten vor einem Notar zunächst einen Vertrag über die Auflassung des Grundstücks zusammen mit der Vornahme einer Eintragungsbewilligung schließen, beides konnte dann im Anschluss dem Grundbuchamt vorlegt werden.

Diese zeitaufwendige und mit weiteren Kosten verbundene Praxis wurde inzwischen vom EuGH aufgehoben, was aus Sicht deutscher Juristen einer kleinen Revolution gleich kam. Das deutsche Recht muss nunmehr das ausländische Rechtsinstitut anerkennen.

Der begünstigte Vindikationslegatar kann daher zum Nachweis seiner Rechtsstellung ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragen und dieses gegenüber Behörden und Banken als Nachweis seiner Rechtsstellung vorlegen. Eine Übertragung von den Erben auf den Vermächtnisnehmer und evtl. anfallende Beurkundungen sollen damit entfallen.

Was aufgrund der verfahrensrechtlichen Erleichterung für viele direkt am Nachlass berechtigte Vermächtnisnehmer Erleichterung verspricht, ist jedoch auch nach der EuGH-Entscheidung im Zusammenhang mit vermachten Grundstücken bis heute mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.

Das deutsche Grundbuchrecht akzeptiert nämlich bislang das Europäische Nachlasszeugnis lediglich als "Nachweis der Erbfolge", § 35 Abs. 1 S. 1 GBO und nicht als Nachweis der Stellung eines Vermächtnisnehmers. Wie in der Praxis damit umzugehen ist, ist fraglich. Denkbar wäre, den § 35 Abs. 1 GBO analog anzuwenden oder den Begriff der "Erbfolge" in § 35 Abs. 1 GBO unionskonform auszulegen, wonach auch die Einzelrechtsnachfolge von diesem Begriff umfasst sein soll. Möglich wäre auch, das Europäische Nachlasszeugnis als Unrichtigkeitsnachweis nach § 22 GBO zur Grundbuchberichtigung genügen zu lassen.

Sieh dazu ausführlicher: Dorth, ZEV 2018, 11