Kooperationen zwischen Wettbewerbern: Kommission veröffentlicht Neuentwürfe der Horizontal-GVOs und Leitlinien

Am 01.03.2022 hat die Kommission ihre Entwürfe der überarbeiteten Gruppenfreistellungsverordnungen für Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen bzw. Spezialisierungsvereinbarungen (Horizontal-GVOs) zusammen mit einem Entwurf der überarbeiteten Leitlinien für horizontale Kooperationsvereinbarungen (Horizontal-Leitlinien) veröffentlicht. Die aktuellen Horizontal-GVOs und Leitlinien treten am 31.12.2022 außer Kraft. Mit Veröffentlichung ihrer Neuentwürfe hat die Kommission die interessierten Kreise (Verbände, Unternehmen, Kartellbehörden u.a.) aufgefordert, bis zum 26.04.2022 Stellung zu nehmen. Nach Auswertung der Stellungnahmen und ggf. Anpassung der Entwürfe, werden die neuen Horizontal-GVOs und Leitlinien zum 01.01.2023 in Kraft treten.

Eine erste Durchsicht der Neuentwürfe zeigt viel bekanntes, aber auch eine Reihe wichtiger Änderungen und grundlegender Neuerungen ggü. den derzeit gültigen Fassungen.

Grund für die Änderungen

Wie mittlerweile üblich, hatte die Kommission im Vorfeld der Konzeption der Neuentwürfe eine umfangreiche Evaluierung der geltenden GVOs und Leitlinien durchgeführt und hierzu zahlreiche Kommentare der interessierten Kreise erhalten. Da die geltenden Regelungen bereits seit 2010 in Kraft sind, ergab die Evaluierung insb., dass diese mittlerweile nicht mehr vollständig an die ökonomische und auch soziale Entwicklung der vergangenen zehn Jahre angepasst sind, insb. im Hinblick auf die Digitalisierung und die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen. Da GVOs bestimmte Arten von Wettbewerbsbeschränkungen in bestimmten Typen von Vereinbarungen unter bestimmten Voraussetzungen generell vom Kartellverbot freistellen, ohne dass es einer Einzelfallbewertung bedarf, kommt der Klarheit und Bestimmtheit der Regelungen und der sie begleitenden Leitlinien eine besondere Bedeutung zu. Auch hier gibt es Nachbesserungsbedarf.

Erster Überblick über die Neuentwürfe

Hiernach zeigen sich die Neuentwürfe der beiden GVOs bei vergleichbarem Umfang wie bisher in einigen grundlegenden Fragen, aber auch bei zahlreichen Details überarbeitet und ergänzt. Hervorzuheben sind neben zahlreichen inhaltlichen Details insbesondere Präzisierungen und Ergänzungen bei den Definitionen von Begriffen sowie Änderungen hinsichtlich der Berechnung von Marktanteilen und deren Bedeutung für die Freistellung.

Die Leitlinien, die die Interpretation und Anwendung der GVOs erläutern und Guidance für die Selbsteinschätzung nach Art. 101 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV geben, sind mit mehr als 600 Randnummern fast doppelt so umfangreich wie die derzeitige Fassung. Ähnlich wie schon der Neuentwurf der Vertikal-Leitlinien (s. hierzu auch unsere Blogbeiträge vom 16.07.2021, 02.08.2021, 08.09.2021 und 13.09.2021) ist der Neuentwurf der Horizontal-Leitlinien stärker und damit übersichtlicher gegliedert. Nach einer ausführlichen Einführung zu den Grundsätzen der Anwendbarkeit von Art. 101 AEUV auf horizontale Kooperationsvereinbarungen, insb. zur Unterscheidung zwischen sog. bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen, befasst sich der Entwurf auf den folgenden fast 130 Seiten mit allen wesentlichen Kooperationsvereinbarungen zwischen Wettbewerbern. Besonders hervorzuheben ist, dass die Leitlinien neben der bisher schon erfolgten Abhandlung von Kooperationen in den Bereichen F&E, Produktion (mit Ergänzungen zu einseitigen Spezialisierungen und Subunternehmerverträgen), Einkauf und Vertrieb sowie Standardisierung und allgemeinen Geschäftsbedingungen eine deutlich erweiterte Guidance im Hinblick auf die kartellrechtlichen Grenzen des Austausches von Informationen und Daten, sowie zu Nachhaltigkeitsvereinbarungen geben.

Einzelne Themen werden wir in Kürze in weiteren Blogbeiträgen vertiefen. Blieben Sie dran!