Kündigungsfalle im Gewerberaummietrecht

– Formbedürftigkeit von Vereinbarungen im Zusammenhang mit Umbaumaßnahmen des Mieters -

Das Kammergericht hat jüngst in seiner Entscheidung vom 16.03.2023 - 8 U 178/22 eine ordentliche Kündbarkeit des Gewerberaummietvertrages wegen Schriftformmangels bejaht, weil die Vertragsparteien in dem dort entschiedenen Sachverhalt Vereinbarungen zu Umbaumaßnahmen des Mieters und den im Zusammenhang mit den Umbaumaßnahmen zu tragenden Kosten formlos getroffen haben. Hierin hat das Kammergericht eine nicht nur unwesentliche Vertragsänderung gesehen, die der Schriftform des § 550 BGB bedurft hätte. Die Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses hatte zur Folge, dass der Mietvertrag vor Ablauf der vereinbarten Vertragszeit kündbar war.

Zum Hintergrund

Langfristig abgeschlossene Mietverträge können vorzeitig ungeachtet einer vertraglichen Regelung zur Vertragsdauer mit gesetzlicher Kündigungsfrist grundsätzlich von beiden Vertragsparteien ordentlich gekündigt werden, wenn diese nicht der Schriftform des § 550 BGB genügen. Über § 578 BGB findet die im Wohnraummietrecht verankerte Schriftformvorschrift auch im Gewerberaummietrecht Anwendung. Gerade im Gewerberaummietrecht hat ein Schriftformverstoß für die jeweils betroffene Vertragspartei in der Regel gravierende Folgen, wenn ein langfristig geschlossener Mietvertrag vor Ablauf der vereinbarten Vertragszeit mit gesetzlicher Kündigungsfrist (sechs Monate zum Quartalsende bei Geschäftsräumen) gekündigt werden kann.

Die Schriftform ist nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Auch nachträgliche Änderungen des Ursprungsmietvertrages bedürfen der Einhaltung der Schriftform des § 550 BGB. Auf die Schriftform kann bei Vertragsänderungen nur dann verzichtet werden, wenn es sich um unwesentliche Änderungen handelt.

In Gewerberaummietverträgen ist häufig vereinbart, dass bauliche Änderungen/Ausbaumaßnahmen des Mieters (Um-, an, Neu- oder Einbauten) der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Vermieters bedürfen, die der Vermieter nur aus wichtigem Grund verweigern darf. Zum Teil wird dem Mieter in Gewerberaummietverträgen auch bereits in Einzelfällen mit Wirkung zum Mietbeginn die Durchführung bestimmter Mieterausbaumaßnahmen (Umbaumaßnahmen) gestattet.

Bei der Vertragsdurchführung wird das Schriftformgebot von den Vertragsparteien sodann aber häufig nicht mehr beachtet, weil die Vertragsparteien davon ausgehen, dass Umbaumaßnahmen von der vertraglichen Regelung umfasst sind. Die den Mietvertrag modifizierenden und/oder ergänzenden Vereinbarungen und Abreden im Zusammenhang mit Umbaumaßnahmen werden dann häufig mündlich oder durch Briefwechsel getroffen. Dies erweist sich angesichts der Rechtsprechung aber für beide Parteien als äußerst gefährlich, insofern die Gerichte zunehmend dazu übergehen, Nebenabreden zu Um- und Ausbauarbeiten des Mieters als formbedürftig anzusehen.

Die Entscheidung des Kammergerichts vom 16.03.2023 - 8 U 178/22

Eine Vereinbarung zu am Mietobjekt vorzunehmenden Um- und Ausbauarbeiten, in welcher die Parteien festlegen, wer die Um- und Ausbauarbeiten vorzunehmen hat und wer die Kosten zu tragen hat, hat das Kammergericht in seiner Entscheidung vom 16.03.2023 als Abrede mit vertragswesentlicher Bedeutung gewertet, welche dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB unterliegt. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien haben im Mietvertrag vereinbart, dass die Mieterin die in einer Anlage zum Mietvertrag konkret aufgeführten Umbaumaßnahmen auf eigene Kosten durchführen darf. Die durchgeführten Baumaßnahmen der Mieterin wichen sodann aber nicht nur unwesentlich von dem Inhalt der Anlage zum Mietvertrag ab.

Darin hat das Kammergericht eine wesentliche von der mietvertraglichen Regelung abweichende bauliche Veränderung gesehen, welche nicht mehr von der im Mietvertrag ursprünglich erklärten Zustimmung des Vermieters umfasst war. Begründet hat das Kammergericht dies damit, dass es gerade für einen von der Formvorschrift des § 550 BGB geschützten Grundstückserwerbers bedeutsam sei, dass er anhand des Vertragswerks erkennen kann, welchen im schriftlichen Mietvertrag vereinbarten Zustand der Mietsache er verlangen kann und ob er vom Mieter ggfs. entsprechende Um- oder Rückbaumaßnahmen beanspruchen kann. Nach der Auffassung des Kammergerichts gilt die Formbedürftigkeit auch dann, wenn im Mietvertrag vereinbart ist, dass der Vermieter eine Zustimmung zu baulichen Veränderungen des Mieters nur verweigern darf, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Auch dann könne eine wesentliche Erweiterung des dem Mieter eingeräumten Umbaurechts nicht durch einseitige Genehmigung erfolgen. Zur Schriftformwahrung bedürfe es vielmehr einer vertraglichen Ergänzungsvereinbarung zum Mietvertrag, die den Anforderungen des Schriftformerfordernisses des § 550 BGB genügt. Das Kammergericht hat sich auf die Entscheidung des BGH vom 25.11.2015 - XII ZR 114/14 gestützt, in welcher der Bundesgerichtshof in der Tendenz hat durchblicken lassen, dass er davon ausgeht, dass dann, wenn die Mietvertragsparteien Vereinbarungen zu am Mietobjekt vorzunehmenden Um- und Ausbauarbeiten sowie dazu treffen, wer diese vorzunehmen hat und wer die Kosten zu tragen hat, die Annahme nicht fernliege, dass diesen Abreden vertragswesentliche Bedeutung zukommt. Auch dann, wenn im Mietvertrag geregelt ist, dass die weitere Ausstattung und das Herrichten der Mieträume dem Mieter nach eigenem Ermessen freistehen und der Vermieter Umbauarbeiten gestattet, wäre im Einzelfall jedenfalls festzustellen, welche Bedeutung die Vertragsparteien einer solchen vertraglichen Vereinbarung beigemessen haben und ob mit einer bloßen einseitigen Gestattung des Vermieters die Schriftform noch gewahrt werden könne. Eine vertragswesentliche und damit formbedürftige Nebenabrede zu Um- und Ausbauarbeiten werde immer dann vorliegen, wenn eine Flächenvergrößerung erfolgt oder auf Seiten des Mieters von einem verlorenen Baukostenausschuss (durch Zuschusszahlung des Mieters oder in Form von Bauleistungen auf Kosten des Mieters) auszugehen ist. Aber auch dann, wenn Ausbaumaßnahmen des Mieters nicht mit einer Flächenvergrößerung einhergehen und keine Zuschusszahlung des Mieters in Form eines verlorenen Baukostenzuschusses erfolgt, könne eine vertragswesentliche Nebenabrede zu bejahen sein. Es komme immer auf den Einzelfall an.

Praxishinweis

Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung ist den Parteien dringend anzuraten, jegliche Vereinbarungen zu Um- und Ausbauarbeiten des Mieters schriftformwahrend im Wege eines Nachtrages zum Mietvertrag zu fixieren und zwar auch dann, wenn der Vermieter seine Zustimmung nach der vertraglichen Regelung nur aus wichtigem Grund verweigern darf. Der Abschluss eines Nachtrages ist ferner auch dann zu empfehlen, wenn im Mietvertrag zwar geregelt ist, dass dem Mieter die Durchführung bestimmter Umbaumaßnahmen bereits bei Vertragsabschluss gestattet wird, der Mieter aber bei der Ausführung von den im Mietvertrag festgelegten Maßnahmen abweichen oder die Maßnahmen erweitern möchte. Jedenfalls dann, wenn Umbaumaßnahmen des Mieters mit einer nicht nur unwesentlichen Umgestaltung des Mietobjektes verbunden sind und die Investitionen des Mieters als verlorener Baukostenzuschuss zu werten sind, ist angesichts der Rechtsprechung zu erwarten, dass vom Mietvertrag abweichende oder diesen ergänzende Vereinbarungen als formbedürftig anzusehen sind.

Autorin

  • Mietrecht
  • Prozessführung und Schiedsverfahren
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