Kurzarbeit „kürzt“ auch den Urlaub

Infolge der anhaltenden Pandemie-bedingten Einschränkungen und der damit für viele Unternehmen einhergehenden Kurzarbeit stehen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer vor der Problematik, ob und ggf. wie sich die Kurzarbeit auf Urlaubsansprüche auswirkt. Im Fokus steht insbesondere die Frage, ob die Durchführung von Kurzarbeit zu einer Reduzierung des gesetzlichen Mindesturlaubs aus Art. 7 Abs. 1 der europäischen Richtlinie 2003/88/EG bzw. § 3 Bundesurlaubsgesetz (24 Tagen bei einer 6-Tagewoche) führt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat eine Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubs in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012 grundsätzlich für zulässig erachtet, wobei die deutsche Instanzrechtsprechung bei der Interpretation des EuGH-Urteils bisher eher zurückhaltend war. Licht ins Dunkel bringt nun hoffentlich eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (LAG Düsseldorf) vom 12.03.2021. Jedenfalls lässt sich der vielversprechenden Pressemitteilung relativ eindeutig entnehmen, dass das Landesarbeitsgericht im Fall der sog. Kurzarbeit „Null“ (vollständige Suspendierung der Hauptleistungspflichten) von einer anteiligen Kürzung des Urlaubsanspruchs ausgeht. Nachstehend möchten wir die aktuelle Entscheidung des LAG Düsseldorf in der gebotenen Kürze für Sie einordnen.

Was sagt der EuGH?

Bereits im Jahr 2012 entschied der EuGH anlässlich der Klagen zweier Arbeitnehmer eines Automobilzulieferers, die sich aufgrund einer Sozialplanregelung für den Zeitraum von einem Jahr in Kurzarbeit Null befanden, dass nationale Rechtsvorschriften, nach denen der Anspruch eines Kurzarbeiters auf bezahlten Jahresurlaub pro rata temporis berechnet wird (im Fall aufgrund des Sozialplans), nicht gegen europäische Vorgaben verstoßen (EuGH, Urt. v. 08.11.2012, Az. C-229/11 und C-230/11). In seinem Urteil wies der EuGH insbesondere darauf hin, dass während der Kurzarbeit die gegenseitigen Leistungspflichten der Parteien nach Maßgabe der Arbeitszeitverkürzung suspendiert, wenn nicht gar vollkommen aufgehoben seien. Daraus folge, dass der Kurzarbeiter aufgrund der faktischen Vergleichbarkeit der Situationen als „vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer“ anzusehen und somit auch sein Anspruch auf Jahresurlaub entsprechend pro rata temporis zu berechnen sei.

Bisherige nationale Instanzrechtsprechung

Zuletzt setzte sich das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG Hamm) im Jahr 2017 vertieft mit der Frage einer möglichen Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubs bei Kurzarbeit auseinander (LAG Hamm, Urt. v. 30.08.2017 – 5 Sa 626/17). Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH ging auch das LAG Hamm davon aus, dass der Urlaubsanspruch von Kurzarbeitern zumindest im Fall der vollständigen Herabsetzung der Arbeitszeit durch Kurzarbeit Null im gesamten Bezugszeitraum (Urlaubsjahr) wie in einem Teilzeitarbeitsverhältnis anteilig zu berechnen sei, soweit eine tarifliche oder betriebliche Regelung dies vorsehe. Allerdings ließ das LAG Hamm ausdrücklich offen, ob eine Kürzung auch für Fälle in Betracht kommt, in denen sich die Kurzarbeit nicht auf die gesamte vertragliche Arbeitsleistung erstreckt oder Kurzarbeit Null lediglich für einzelne Zeiträume des Urlaubsjahres angeordnet wird.

LAG Düsseldorf bejaht Urlaubskürzung

Am 12.03.2021 hat sich nun das LAG Düsseldorf – zumindest ausweislich der vorab veröffentlichten Pressemitteilung – deutlich für eine Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruches in Folge von Kurzarbeit Null ausgesprochen (LAG Düsseldorf, Urt. v. 12.03.2021 – 6 Sa 824/20). Die Klägerin im zugrunde liegenden Rechtsstreit war eine Verkaufshilfe eines Gastronomiebetriebs, die sich während des vergangenen Jahres in Folge der Corona-Pandemie wiederholt in Kurzarbeit Null befunden hatte. Insbesondere in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 war ihre Arbeitspflicht vollständig suspendiert. Vor diesem Hintergrund vertrat die beklagte Arbeitgeberin die Auffassung, dass sich der Urlaubsanspruch der Klägerin infolge der Kurzarbeit Null anteilig reduziert habe. Die Klage hinsichtlich vermeintlicher „Resturlaubsansprüche“ blieb sowohl erstinstanzlich als auch vom LAG Düsseldorf erfolglos.

Das LAG Düsseldorf entschied, dass die Klägerin für die Zeiträume der Kurzarbeit Null keine Urlaubsansprüche gemäß § 3 Bundesurlaubsgesetz erworben habe, da während der Kurzarbeit die beiderseitigen Leistungspflichten wie bei vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer aufgehoben seien und der Erholungsurlaub der Kurzarbeiter somit anteilig reduziert werden müsse. Dementsprechend sei der Urlaub der Klägerin für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null um 1/12 zu kürzen.

Darüber hinaus wies das LAG Düsseldorf ausdrücklich darauf hin, dass das deutsche Recht gegenüber der vom EuGH dargestellten Rechtslage keine günstigere Regelung enthalte. Es existiere weder eine spezielle Regelung für Kurzarbeit, noch ergäbe sich etwas anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes.

Hinweise für die Praxis

Auch wenn eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, ob eine Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubs auch im Fall einer nur zeitweise unterjährig eingeführten Kurzarbeit Null möglich ist, noch aussteht, ist das Urteil aus Sicht pandemiegeplagter Arbeitgeber ausdrücklich zu begrüßen. Mit der vorgenannten Entscheidung „im Rücken“ können sich Arbeitgeber mit guten Argumenten für Monate durchgehender Kurzarbeit Null auf eine Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubs berufen. Mehr Rechtssicherheit bringt die Entscheidung des LAG Düsseldorf auch hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit entsprechender tariflicher oder betrieblicher Regelungen, die bereits entsprechende Urlaubskürzungen vorsehen.

Vorsicht bei der „Urlaubskürzung“ ist allerdings weiterhin geboten, wenn Kurzarbeit Null nicht für volle Monate eingeführt oder lediglich die Reduzierung der täglichen Arbeitszeit vereinbart wurde. Darüber hinaus ist zu beachten, dass für einen übergesetzlichen Mehrurlaub im Einzelfall ggf. abweichende Regelungen gelten können.