Lieferdienste: Fahrrad und Smartphone als „Arbeitsmittel“?

Hintergrund

Sie sind mittlerweile allgegenwärtig: Fahrradkuriere, die Essen ausliefern. Corona hat diesen Trend beschleunigt, aber nicht begründet. Meistens tragen die Kuriere Jacken, (wenn es gut geht: auch) Helme und Boxen auf dem Rücken, die dem Corporate Design des Lieferdienstes entsprechen. Oftmals sind die Kuriere aber mit ihren eigenen Fahrrädern unterwegs und nutzen die – für den Auslieferungsvorgang notwendigen – Apps auf dem eigenen Smartphone.

Hört man in die Lieferdienst-Szene hinein, erhält man meist vom Management die Antwort, dass die Kuriere dies so wollen, da es sich um „Fahrrad-Junkies“ handelt, die lieber ihr eigenes Rad anstelle eines Firmen-Rads nutzen. Das mag richtig sein und erinnert an die frühere Welle der Diskussion zu „Bring Your Own Device (BYOD)“, als Smartphones im privaten Bereich aufkamen und jeder sie auch für den (Büro-)Job nutzen wollte.

Der Fall

Das Landesarbeitsgericht Hessen hatte sich in zwei nun bekannt gewordenen Urteilen vom 12.3.2021 (Az 14 Sa 306/20 und 14 Sa 1158/20) mit der Frage beschäftigen müssen, was passiert, wenn Kuriere von Lieferdiensten entgegen der Vereinbarung im Arbeitsvertrag weder ihr eigenes Fahrrad noch ihr eigenes Smartphone (insbesondere das Datenvolumen) für den Job nutzen wollen. Der Arbeitsvertrag sah keine Entschädigung für die Nutzung von Smartphone oder Fahrrad vor. Vielmehr waren die Kuriere verpflichtet, ihre eigenen Fahrräder im verkehrssicheren Zustand zu halten. Es wurde zwar ein Reparatur-Budget (EUR 0,25/Arbeitsstunde) gewährt; dies war aber nicht im Arbeitsvertrag vereinbart.

Die Entscheidung

Das LAG Hessen gab den beiden Kurieren Recht. Die Arbeitsverträge seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu qualifizieren. Da diese die Kuriere verpflichteten, die wesentlichen Arbeitsmittel selbst mitzubringen und instand zu halten, würden sie unangemessen benachteiligt; die Klauseln seien insoweit unwirksam. Denn nach der gesetzlichen Wertung sind Betriebsmittel und deren Instandhaltungskosten durch den Arbeitgeber und nicht den Arbeitnehmer zu beschaffen bzw. zu tragen.

Das LAG Hessen hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Es bleibt daher spannend, wie sich Erfurt zu dieser Frage positionieren wird. Ob die vertragliche Gewährung einer „Verschleiß-Pauschale“ für die Nutzung des eigenen Fahrrads und des eigenen Smartphones die Sache zu einer abweichenden Beurteilung führt, bleibt abzuwarten.

 

Weitere Artikel zum Thema