Mehr Tempo in Planungs- und Genehmigungsverfahren für Wasserstoffprojekte?

Ein Überblick zum Entwurf des Wasserstoffbeschleunigungsgesetzes vom 29.05.2024

Das Bundeskabinett hat am 29.05.2024 den „Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Verfügbarkeit von Wasserstoff und zur Änderung weiterer rechtlicher Rahmenbedingungen für den Wasserstoffhochlauf sowie zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften“ auf den Weg gebracht. Zentrales Kernelement des Gesetzesentwurfs ist das „Wasserstoffbeschleunigungsgesetz“ (im Folgenden abgekürzt als WBG-Entwurf), das zu einer Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für Vorhaben betreffend die Erzeugung, Speicherung und den Imports von Wasserstoff beitragen soll.

Mit dem WBG soll für die Planung und Zulassung von Wasserstoffvorhaben ein neues Fachgesetz implementiert werden. Im vorliegenden Beitrag werden überblicksartig ausgewählte Regelungsgegenstände des WBG-Entwurfs (Artikel 1 des Gesamtgesetzesentwurfs) beleuchtet. Auf weitere durch das Artikelgesetz vorgesehene Änderungen in der Verwaltungsgerichtsordnung, im Energiewirtschaftsgesetz, im Bundesfernstraßengesetz sowie im Raumordnungsgesetz (Artikel 2 – 5 des Gesamtgesetzesentwurfs) sei an dieser Stelle lediglich hingewiesen.

Zweck und Ziel des Gesetzes

Nach § 1 WBG-Entwurf liegt der Zweck des WBG darin, die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine vereinfachte und beschleunigte Planung und den Ausbau einer Infrastruktur für die Erzeugung, Speicherung und den Import von Wasserstoff zu schaffen. Das Gesetz soll insbesondere zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele einen zentralen Beitrag zum Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft leisten. Ziel ist es, die Versorgung mit Wasserstoff sicherzustellen. Ferner soll eine treibhausgasneutrale, sichere und umweltverträgliche Erzeugung aus erneuerbaren Energien gesichert werden.

Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Der Anwendungsbereich des Gesetzes wird in § 2 WBG-Entwurf definiert. Das Gesetz ist einschließlich der jeweils zugehörigen Nebenanlagen anzuwenden auf die Zulassung von Elektrolyseuren an Land zur Erzeugung von Wasserstoff (Nr. 1), Anlagen zur Speicherung von Wasserstoff (Nr. 2), Anlagen zum Import von Wasserstoff (Nr. 3), Anlagen zum Import von Ammoniak (Nr. 4), Anlagen zum Import von flüssigen organischen Wasserstoffträgern (Nr. 5), Anlagen zur Aufspaltung von Ammoniak (Nr. 6), Anlagen zur Dehydrierung von flüssigen organischen Wasserstoffträgern (Nr. 7), Verdichter, die für den Betrieb von Wasserstoffleitungen erforderlich sind (Nr. 8), Dampf- oder Wasserleitungen, die für den Betrieb von Anlagen nach § 2 Abs. 1 Nrn. 1 - 7 WBG-Entwurf erforderlich sind (Nr. 9) sowie auf die Zulassung von Stromleitungen, die eine Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien mit dem Standort einer Anlage nach § 2 Abs. 1 Nrn. 1 - 7 WBG-Entwurf zum Zweck der direkten Versorgung verbinden (Nr. 10).

Zur Konkretisierung der vom gesetzlichen Anwendungsbereich erfassten Anlagen und Leitungen sowie zur Definition weiterer Begrifflichkeiten enthält § 3 WBG-Entwurf einen für Umwelt- und Planungsgesetze typischen Begriffsbestimmungskatalog mit gesetzlichen Legaldefinitionen.

Überragendes öffentliches Interesse

Unter den Voraussetzungen des § 4 WBG-Entwurf liegen die Errichtung und der Betrieb der in § 2 Abs. 1 WBG-Entwurf angeführten Wasserstoffprojekte im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Interesse (Abs. 1). Aus Sicht der Bundesregierung soll diese Festlegung maßgeblich zu einer Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren führen. Ob diese Erwartung erfüllt wird, wird sich in der Praxis erst zeigen müssen: Denn das in § 4 Abs. 1 WBG-Entwurf grundsätzlich festgestellte überragende öffentliche Interesse wird durch verschiedene in § 4 Abs. 2 – 6 WBG-Entwurf im Einzelnen geregelte Ausschlussgründe, Befristungen sowie – bezogen auf Elektrolyseure an Land –  erforderliche technischen Verknüpfungen zu Erneuerbare-Energie-Anlagen nicht unerheblich eingeschränkt.

Maßgaben zur Anwendung des Wasserhaushaltsgesetzes

§ 5 WBG-Entwurf enthält für Wasserstoffprojekte i.S.d. § 2 Abs. 1 WBG-Entwurf, die einer wasserrechtlichen Planfeststellung bedürfen, Maßgaben zum gemäß § 70 WHG anzuwendenden Verfahrensrecht. Die Modifizierungen betreffen zusammengefasst insbesondere die Einreichung der Planunterlagen in einem von der Anhörungsbehörde vorgegebenem elektronischen Format (§ 5 Abs. 2 WBG-Entwurf), Vorgaben zur Reduzierung der Prüfdichte der Vollständigkeitsprüfung (§ 5 Abs. 3 WBG-Entwurf), die stärkere Digitalisierung des Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahrens (§ 5 Abs. 4 – 9 WBG-Entwurf), die Implementierung einer behördlichen Entscheidungsfrist von 18 Monaten (§ 5 Abs. 10 WBG-Entwurf) sowie Verfahrenserleichterungen für die Bekanntmachung der Planfeststellungs-/Plangenehmigungsentscheidung.

Strukturell ähnliche Anpassungen regelt § 6 WBG-Entwurf für im Rahmen der Zulassung von Wasserstoffprojekten durchzuführende wasserrechtliche Erlaubnis- und Bewilligungsverfahren. Auch hier sollen die Antragsunterlagen des Vorhabenträgers in einer von der Erlaubnis-/Bewilligungsbehörde bestimmten elektronischen Format eingereicht (§ 6 Abs. 3 WBG-Entwurf), die Vollständigkeitsprüfung inhaltlich reduziert (§ 6 Abs. 4 WBG-Entwurf) und die Beteiligung der im eigenen Aufgabenbereich berührten Behörden sowie der Öffentlichkeit digitalisiert und beschleunigt werden (§ 6 Abs. 4 – 7). Materiell fingiert § 7 WBG-Entwurf bezogen auf wasserrechtliche Erlaubnis- und Bewilligungsverfahren für die Zulassung eines vorzeitigen Beginns für Wasserstoffprojekte i.S.d. § 2 Abs. 1 WBG-Entwurf ein öffentliches Interesse i.S.d. § 17 Abs. 1 Nr. 2 WHG.

Maßgaben zur Anwendung des BImSchG und der 9. BImSchV

Für dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und der 9. BImSchV unterfallende Anlagen sehen die §§ 9 – 14 WBG-Entwurf diverse Modifizierungen des anzuwendenden Verfahrensrechts vor, die inhaltlich stark an die oben dargelegten Verfahrensrechtsanpassungen in wasserrechtlichen Zulassungsverfahren angelegt sind.

Im Hinblick auf die Zulassung des vorzeitigen Beginns für Wasserstoffprojekte i.S.d. § 2 Abs. 1 WBG-Entwurf fingiert § 9 WBG ein öffentliches Interesse des Antragstellers an dem vorzeitigen Beginn. Für das BImSchG-Genehmigungsverfahren regelt § 10 WBG-Entwurf Modifikationen für die Anwendung des § 10 BImSchG hinsichtlich der vom Antragsteller nach näherer Festlegung durch die zuständige Behörde in elektronischer Form einzureichenden Antragsunterlagen (Abs. 2) und für die digitale Beteiligung der durch das jeweilige Vorhaben im Aufgabenbereich betroffenen Fachbehörden (Abs. 3). Diesen Regelungsansatz überträgt § 11 WBG-Entwurf gleichermaßen auf nach § 23b BImSchG durchzuführende störfallrechtliche Genehmigungsverfahren.

§ 12 WBG-Entwurf erklärt die für das Repowering von Erneuerbare-Energie-Anlagen geltenden Verfahrenserleichterungen aus § 16 Abs. 1, 2, 4 u. 5 BImSchG für entsprechend anwendbar auf die Zulassung von Elektrolyseuren an Land zur Erzeugung von Wasserstoff.

Zur Beschleunigung der Vollständigkeitsprüfung ist nach § 13 WBG-Entwurf die Bestimmung des § 7 der 9. BImSchV mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Prüfung der Vollständigkeit von Unterlagen innerhalb von 30 Tagen zu erfolgen hat. Bereits nach geltender Rechtslage sieht § 7 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV als Regelfall den Abschluss der Vollständigkeitsprüfung binnen eines Monats nach Einreichung der Antragsunterlagen vor. Durch § 13 WBG-Entwurf soll die in § 7 Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV vorgesehene Möglichkeit zur Fristverlängerung ausgeschlossen werden (Entwurfsbegründung, S. 45).

Als weiteres Instrument zur Verfahrensbeschleunigung sieht § 14 WBG-Entwurf in Modifizierung des § 12 Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV für UVP-pflichtige Wasserstoffvorhaben i.S.d. § 2 Abs. 1 WBG-Entwurf eine Verkürzung der Einwendungsfrist von einem Monat auf zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist vor. Dadurch wird im Anwendungsbereich des WBG-Entwurfs im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren die Dauer der Öffentlichkeitsbeteiligung auf insgesamt sechs Wochen (ein Monat Auslegungsfrist, zwei zusätzliche Wochen Äußerungsfrist) verkürzt. Die Möglichkeit, bereits während der Auslegungsfrist Einwendungen zu erheben, bleibt von dieser neuen Regelung unberührt (Entwurfsbegründung, S. 45).

Maßgaben für die Umweltverträglichkeitsprüfung

Analog zur auf BImSchG-Genehmigungsverfahren beschränkten Vorschrift des § 14 WBG-Entwurf modifiziert § 15 WBG-Entwurf für UVP-pflichtige Anlagen und Leitungen i.S.d. § 2 Abs. 1 WBG-Entwurf die in § 21 Abs. 2 UVPG geregelte Äußerungsfrist von einem Monat auf zwei Wochen. Durch diese Anpassung gilt die auf zwei Wochen verkürzte Äußerungsfrist auch für sonstige, d.h. nicht immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen und Leitungen i.S.d. § 2 Abs. 1 WBG-Entwurf.

Rechtsbehelfe und sachliche Zuständigkeiten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit

Nach § 17 Abs. 1 WBG-Entwurf haben Widerspruch und Anfechtungsklagen gegen Zulassungsentscheidungen für Wasserstoffprojekte sowie gegen Entscheidungen über den vorzeitigen Baubeginn einer Maßnahme keine aufschiebende Wirkung. Dies soll eine schnelle Realisierung der Projekte ermöglichen. Anträge auf Gewährung von Eilrechtsschutz können nur binnen eines Monats nach Entscheidungszustellung gestellt und begründet werden (§ 17 Abs. 2 WBG-Entwurf). Diese Ausgestaltung des Rechtsschutzes entspricht inhaltlich der in § 43e EnWG normierten Rechtslage für die Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Zulassungsentscheidungen für Energieleitungen. 

Für Verwaltungsrechtsstreitigkeiten betreffend die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Wasserstoffvorhaben einschließlich der dazugehörigen Nebenanlagen sieht § 18 WBG-Entwurf eine Zuständigkeitsverteilung zwischen den Oberverwaltungsgerichten (Abs. 1) und dem Bundesverwaltungsgericht (Abs. 2) vor. Durch die hiermit verbundene „Aussparung“ der Verwaltungsgerichte wird der Rechtsweg bei vielen Wasserstoffvorhaben betreffenden Streitigkeiten um eine Gerichtsinstanz abgekürzt. Eine Ausnahme stellen z.B. Elektrolyseure mit einer Leistung von weniger als 30 Megawatt dar, für die bei Klagen gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung weiterhin die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Die Oberverwaltungsgerichte sind für Streitigkeiten betreffend die Zulassung, den vorzeitigen Baubeginn oder die Anzeige von Elektrolyseuren i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 WBG-Entwurf mit einer Leistung von mindestens 30 Megawatt, Anlagen zur Speicherung von Wasserstoff i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 WBG-Entwurf, für den Betrieb Wasserstoffleitungen erforderliche Verdichter i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 8 WBG-Entwurf, Stromleitungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 10 WBG-Entwurf sowie für den Betrieb der vorstehend genannten Anlagen erforderliche Dampf- und Wasserleitungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 9 WBG-Entwurf erstinstanzlich zuständig. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet erst- und letztinstanzlich zum einen über Streitigkeiten betreffend die Zulassung, den vorzeitigen Baubeginn oder die Anzeige von Anlagen zum Import von Wasserstoff (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 WBG-Entwurf), Ammoniak (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 WBG-Entwurf) und flüssigen organischen Wasserstoffträgern (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 WBG-Entwurf). Zum anderen ist das Bundesverwaltungsgericht für Streitigkeiten betreffend Anlagen zur Aufspaltung von Ammoniak (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 WBG-Entwurf), zur Dehydrierung von flüssigen organischen Wasserstoffträgern (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 WBG-Entwurf) sowie für Streitigkeiten betreffend den Betrieb der vorstehend genannten Anlagen erforderliche Dampf- und Wasserleitungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 9 WBG-Entwurf erst- und letztinstanzlich zuständig.

Fazit und Ausblick

Der Gesetzesentwurf zum WBG sieht an verschiedenen Stellen sinnvolle Anpassungen bzw. Modifizierungen geltender Verfahrensvorschriften vor. Dies gilt konkret für die durch die Politik seit Jahren immer wieder beschworene „Digitalisierung von Genehmigungsverfahren“, die durch den vorgelegten Entwurf weitere Konturen erlangt (siehe insoweit auch jüngst die vom Bundestag am 05.06.2024 beschlossene Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes). Auch die weitgehende Verortung der sachlichen Zuständigkeit für Klagen und Eilrechtsschutzanträge bei den Oberverwaltungsgerichten und beim Bundesverwaltungsgericht ist zu begrüßen. Erfahrungsgemäß wird es im weiteren Gesetzgebungsverfahren an einigen Stellen noch zu redaktionellen und inhaltlichen Überarbeitungen kommen. Handlungsbedarf besteht etwa bei der Ausgestaltung der Regelungen zum überragenden öffentlichen Interesse (§ 4 WBG-E). In der aktuellen Entwurfsfassung trägt die Vorschrift zu keiner Verfahrensbeschleunigung bei, sondern erweitert das ohnehin breite behördliche Prüfprogramm und erhöht so den bürokratischen Aufwand.

Losgelöst von etwaigen punktuellen Verbesserungen kann auch das WBG nur einen rechtlichen Rahmen setzen, der in der Planungs- und Genehmigungspraxis ausgefüllt werden muss. Qualitativ hochwertige Antragsunterlagen, personell kompetent und schlagkräftig besetzte Projektteams in den Behörden und bei den Vorhabenträgern sowie ein gutes Verfahrensmanagement bleiben die für eine zügige und rechtssichere Durchführung von Planungs- und Genehmigungsverfahren zentralen Weichenstellungen.