„Ming-Vase“ als Kündigungsgrund im Arbeitsrecht

Nein, es geht nicht um einen Diebstahl, eine Sachbeschädigung oder um Corona, sondern um eine Beleidigung. In einem erst kürzlich vor dem Arbeitsgericht Berlin verhandelten Zustimmungsersetzungsverfahren ging es um die Frage, ob die Bezeichnung einer Arbeitskollegin als „Ming-Vase“ eine rassistische Beleidigung darstellen kann.

Der Fall:

Eine Arbeitnehmerin (Verkäuferin in einem Kaufhaus von internationalem Ruf mit vielfältigem Publikum), die zugleich Ersatzmitglied des Betriebsrates war und aufgrund der Verhinderung eines ordentlichen Mitglieds in das Gremium nachgerückt ist, bezeichnete eine Arbeitskollegin gegenüber einem anderen Mitarbeiter als „Ming-Vase“:

„Heute muss ich darauf achten, dass ich die ausgesuchten Artikel richtig abhake, sonst gibt es wieder Ärger mit der Ming-Vase.“

Auf Nachfrage teilte die Arbeitnehmerin konkret mit „Na Sie wissen schon, die Ming-Vase.“ und zog gleichzeitig die Augen mit den Fingern nach hinten, um eine asiatische Augenform zu imitieren. Nach einer Mitarbeiteranhörung, in welcher sich der Sachverhalt bestätigte, hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen und außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfristen an. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung in beiden Fällen mit Hinweis darauf, dass er die Arbeitnehmerin so einschätze, dass ihr nichts ferner stünde als rassistisches Gedankengut. Der Arbeitgeber leitete sodann das Zustimmungsersetzungsverfahren beim Arbeitsgericht Berlin ein. Dies ist bei außerordentlichen Kündigungen von Betriebsratsmitgliedern nach § 103 Abs. 1 BetrVG notwendig.

Die Entscheidung:

Das Arbeitsgericht nahm die begehrte Zustimmungsersetzung vor. Die Äußerungen der Arbeitnehmerin seien nicht bloß unangemessen und inakzeptabel, sondern Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Es komme zudem nicht darauf an, dass die betroffene Mitarbeiterin die rassistische Äußerung nicht selbst wahrgenommen habe. Vielmehr sei maßgeblich, ob ein unvoreingenommener Dritter die Äußerung als rassistisch verstehen konnte, was vorliegend der Fall gewesen sei. Durch die Bezeichnung als „Ming-Vase“ und die ergänzende Verwendung einer die asiatische Augenform imitierenden Geste, habe die Arbeitnehmerin ihre Kollegin in Bezug auf ihre Herkunft ausgegrenzt und diskriminiert. Hierbei handele es sich um eine Form des Alltagsrassismus, der letztlich Ausgangspunkt für offenen und gewollten Rassismus sei und der sich derzeit verstärkt in der Gesellschaft ausbreite. Auch die Interessenabwägung fiel zulasten der Arbeitnehmerin aus.

Ausblick:

Es ist sehr erfreulich, dass das Arbeitsgericht Berlin hinsichtlich der rassistischen Äußerungen der Arbeitnehmerin „klare Kante“ gezeigt hat.  „Bemerkenswert“ hingegen ist die Stellungnahme des Betriebsrates, der angesichts der offensichtlich fremdenfeindlichen Äußerungen kein rassistisches Gedankengut zu erkennen vermochte.