Mit der Stellungnahme des Betriebsrates ist nicht immer alles erledigt - die (un-)richtige Betriebsratsanhörung

Eine Betriebsratsanhörung muss vor jedem Ausspruch einer Kündigung erfolgen. Fehler der Betriebsratsanhörung führen zur Unwirksamkeit der Kündigung. Mit Urteil vom 22.09.2016 (Az: 2 AZR 700/15) musste das Bundesarbeitsgericht nun entscheiden, ob die Betriebsratsanhörung auch dann fehlerhaft ist, wenn der Arbeitgeber nach bereits erfolgter Anhörung des Betriebsrats, aber vor Ausspruch der Kündigung Kenntnis von neuen, für die Kündigung entscheidenden Tatsachen erhält und diese dem Betriebsrat nicht mitteilt.

DIE AKTUELLE ENTSCHEIDUNG DES BUNDESARBEITSGERICHTES
Der Arbeitgeber verdächtigte einen Arbeitnehmer u.a. des Geheimnisverrates und des Tankkartenbetruges und forderte ihn mit einem Anhörungsschreiben auf, zu den Sachverhalten Stellung zu nehmen. Der Arbeitnehmer nahm keine Stellung, sondern wies darauf hin, er sei aufgrund einer ernsthaften Erkrankung nicht in der Lage, sich mit den Vorgängen zu befassen. Der Arbeitgeber teilte daraufhin dem Betriebsrat in der Anhörung zur Kündigung mit, der Arbeitnehmer haben keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht, den gegen ihn bestehenden Verdacht auszuräumen, was den Verdacht bestärke, die angebliche Schwere der Krankheit werde zudem bezweifelt.

Nach einer abschließenden Stellungnahme des Betriebsrates zur Kündigung, aber vor Ausspruch der Kündigung, übergab der als schwerbehindert anerkannte Arbeitnehmer dem Arbeitgeber im Rahmen eines Zustimmungsverfahrens vor dem Integrationsamt eine 26-seitige Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen und teilte nähere Informationen zur Schwere seiner Erkrankung mit.

Nachdem das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte, sprach der Arbeitgeber diese ohne weitere Information des Betriebsrates aus. Zu Unrecht, wie die BAG-Richter entschieden. Die dem Arbeitgeber noch vor Ausspruch der Kündigung neu bekannt gewordenen, für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung entscheidenden Tatsachen hätten dem Betriebsrat bekannt gemacht werden müssen, mit der Folge, dass eine erneute Durchführung der Betriebsratsanhörung notwendig gewesen wäre.

BEDEUTUNG EINER BETRIEBSRATSANHÖRUNG
Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG vor Ausspruch jeder Kündigung über die Gründe der Kündigung unterrichten. Damit soll dem Betriebsrat die Möglichkeit gegeben werden, auf die Entscheidung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen und in geeigneten Fällen zur Verhinderung einer Kündigung beitragen zu können. Der Betriebsrat kann die Kündigung zwar nicht verhindern, unterbleibt jedoch die Anhörung oder ist sie unvollständig, so ist die daraufhin ausgesprochene Kündigung unabhängig vom Kündigungsgrund unwirksam, § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG.

INHALT DER BETRIEBSRATSANHÖRUNG
Die Betriebsratsanhörung muss Informationen zur Person des zu kündigenden Arbeitnehmers enthalten. Darunter fallen neben dem Alter auch die Betriebszugehörigkeit, die Privatanschrift, der Familienstand, die Kinderzahl und besondere soziale Umstände wie z.B. eine Schwerbehinderung oder Schwangerschaft. Ebenfalls muss der Betriebsrat über die Kündigungsart unterrichtet werden, also ob eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers erfolgen soll und die Kündigungsfrist sowie der geplante Kündigungstermin müssen mitgeteilt werden.

Sehr wichtig ist zudem die genaue Darstellung des Kündigungssachverhalts. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet. Außerdem darf der Arbeitgeber ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren. In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung – ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers – auch objektiv, das heißt durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert.

FOLGEN FÜR DIE PRAXIS
Sollten dem Arbeitgeber nach erfolgter Betriebsratsanhörung, aber vor Ausspruch der Kündigung neue Tatsachen bekannt werden, die geeignet sind, sich zugunsten des Arbeitnehmers auszuwirken und vom Betriebsrat bei der Argumentation gegenüber dem Arbeitgeber gegen den Ausspruch einer Kündigung genutzt zu werden, müssen diese Tatsachen dem Betriebsrat im Rahmen einer erneuten Anhörung mitgeteilt werden. Dies gilt nach der ausdrücklichen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes sogar dann, wenn der Betriebsrat bereits abschließend zur Kündigung Stellung genommen hatte. Eine ohne erneute Anhörung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Die Bedeutung der Betriebsratsanhörung im Rahmen eines Kündigungsvorhabens darf nicht unterschätzt werden. Vielmehr sollte diese genau und sorgfältig erfolgen, um das Risiko möglicher Rechtsstreitigkeiten zu minimieren, denn in vielen Kündigungsschutzprozesses wird eine fehlerhafte Betriebsratsanhörung gerügt und der Kündigungsschutzprozess mit diesem Argument gewonnen. Hier gilt „Mehr ist mehr!“.

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