Nicht lange ist es her, da hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob ein Arbeitgeber verpflichtet ist, nicht genommenen Jahresurlaub des Mitarbeiters von sich aus zu gewähren. Über die rechtliche Ausgangslage und den Sachverhalt haben wir bereits an dieser Stelle ausführlich berichtet. Die wichtigsten Eckpunkte einmal kurz zusammen gefasst:
Rechtliche Ausgangslage
Nach derzeitiger deutscher Rechtslage verfällt der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 und 2 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) nach Ablauf des Kalenderjahres, sofern nicht ausnahmsweise eine Übertragung bis Ende März des Folgejahres erfolgt. Stellt der Mitarbeiter jedoch keinen Urlaubsantrag, verfällt auch der übertragene Urlaubsanspruch. Hat der Mitarbeiter den Urlaub beantragt und gewährt der Arbeitgeber diesen jedoch nicht, so kann der Mitarbeiter den Urlaub auch nach Ablauf des Übertragungszeitraums als Schadenersatz nehmen.
Ausgangsfall und Vorlagefrage
Der Vorlagefrage an den EuGH liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der betroffene und klagende Arbeitnehmer war aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge bis zum 31.12.2013 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. In den Jahren 2012 und 2013 hat der Arbeitnehmer insgesamt 51 Urlaubstage nicht genommen. Im Oktober 2013 teilte der Arbeitgeber mit, dass eine Weiterbeschäftigung im Jahr 2014 nicht erfolgen würde und forderte den Arbeitnehmer zugleich auf, seinen Resturlaub zu nehmen. Dies geschah jedoch nicht. Vielmehr verlangte der Arbeitnehmer Urlaubsabgeltung. Dies wiederum lehnte der Arbeitgeber unter Verweis auf die fehlende Antragstellung ab.
Das BAG möchte nun vom EuGH wissen, ob das Unionsrecht einer deutschen Regelung entgegen steht, nach welcher der Arbeitnehmer unter Angabe seiner Wünsche seinen Urlaub beantragen müsse, damit der Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums nicht ersatzlos untergehe.
Schlussanträge des Generalanwalts
Der Generalanwalt Bot schlägt dem Gerichtshof in seinen Schlussanträgen nach den Verhandlungen vor, "zu entscheiden, dass der Umstand allein, dass ein Arbeitnehmer keinen Urlaub beantragt hat, nicht automatisch den Verlust des Anspruchs auf eine finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub bewirken kann." Nochmal: Aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht beantragt hat, folgt nicht automatisch, dass er einen etwaigen Urlaubsabgeltungsanspruch verliert.
Der Generalanwalt verlangt zudem, dass der Arbeitgeber geeignete organisatorische und nachweisbare Maßnahmen trifft, um den Arbeitnehmern zu ermöglichen, ihren Urlaub tatsächlich nehmen zu können. Hat der Arbeitnehmer trotz der vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen aus freien Stücken und bewusst darauf verzichtet, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, obwohl er dies hätte tun können, so habe der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung einer finanziellen Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub.
Ausblick
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Schlussanträge des Generalanwalts für den EuGH nicht bindend sind. Häufig ist es jedoch (leider) so, dass der EuGH den Schlussanträgen folgt. Gleichwohl bleibt abzuwarten, wie der EuGH entscheiden wird. Sollte der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts folgen, so würde dies einen deutlichen Organisationsmehraufwand für Arbeitgeber bedeuten. Ob dies angesichts des unionsrechtlichen Verständnisses vom mündigen Unionsbürger angemessen ist, dürfte äußerst fraglich sein.
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