Nach Urteil des BGH: Ist Patientenverfügung konkret genug?

Nach einer aktuellen Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshof (BGH) vom 06.07.2016 (Az.: XII ZB 61/16) empfiehlt es sich, einen Blick in vorhandene Patientenverfügungen zu werfen und zu fragen: Sind meine Anordnungen konkret genug?

Hintergrund: Die Patientenverfügung

Mit zunehmendem Fortschritt in Medizin und Technik wachsen in der heutigen Zeit – zum Glück – stetig die Möglichkeiten, auch schwerstkranken Patienten, für die es noch vor einigen Jahren kaum Aussicht auf Rettung gegeben hätte, helfen zu können. Gleichzeitig nimmt damit aber auch die Sorge vieler Menschen zu, nicht in Würde sterben zu können, sondern am Ende ihres Lebens vor allem einer leidens- und sterbensverlängernden Apparatemedizin ausgeliefert zu sein. Um dem vorzubeugen, haben viele Menschen den Wunsch, frühzeitig für sich schriftlich festzulegen, ob und welche medizinischen Maßnahmen im Falle des Falles für sie ergriffen werden sollen – und welche nicht. Dies ist möglich mit Hilfe einer sog. Patientenverfügung.

Gemäß der gesetzlichen Definition in § 1901a BGB ist eine Patientenverfügung eine Verfügung, in der „ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festlegt, ob er in bestimmte Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt“. Erfüllt die Verfügung die gesetzlichen Anforderungen, sind die darin getroffenen Anordnungen für etwa benannte Bevollmächtigte bzw. gerichtlich bestellte Betreuer sowie die behandelnden Ärzte bindend.

Seit Inkrafttreten der gesetzlichen Regelungen im Jahr 2009 ist die Zahl der verfassten Patientenverfügungen stark angestiegen. So wird geschätzt, dass mittlerweile rund 30 % der Bundesbürger über eine Patientenverfügung verfügen.

Worum geht es in der aktuellen BGH-Entscheidung?

Der BGH hat in seiner Entscheidung die inhaltlichen Anforderungen an die Formulierung einer Patientenverfügung präzisiert und damit insbesondere auch Klarheit für alle Beteiligten geschaffen. So liegt vor allem auf den Angehörigen eines Patienten eine hohe Last, wenn unklar ist, wie viel medizinische Behandlung dieser im letzten Stadium seines Lebens gewollt hätte.

Konkret geht es um einen Streit unter drei Schwestern über die Auslegung der Patientenverfügungen ihrer Mutter, die seit einem Hirnschlag über eine Magensonde ernährt wird. Die Mutter hatte in mehreren Patientenverfügungen u.a. für den Fall, dass bei ihr eine „Dauerschädigung des Gehirns“ vorliege, festgelegt, dass „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollen. Zwischen den Töchtern bestand nunmehr Uneinigkeit darüber, ob die künstliche Ernährung der Mutter nach einer massiven Verschlechterung ihres Gesundheitszustands, die insbesondere zur Folge hatte, dass die Mutter dauerhaft nicht mehr sprechen kann, aufgrund der in der Patientenverfügungen getroffenen Anordnungen eingestellt werden solle.

Hierzu hat der BGH ausdrücklich entschieden, dass die schriftliche Äußerung in einer Patientenverfügung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, nicht konkret genug und damit für die behandelnden Ärzte sowie die Bevollmächtigten nicht bindend sei. Erforderlich sei vielmehr, in der Patientenverfügung einzelne ärztliche Maßnahmen konkret zu benennen sowie Krankheiten und Behandlungssituationen möglichst klar zu beschreiben. Im entschiedenen Fall sei nicht klar, ob die Ablehnung lebenserhaltender bzw. lebensverlängernder Maßnahmen auch die künstliche Ernährung umfasse. Ein Sterbewunsch der Mutter lasse sich daher aus den von der Mutter getroffenen Verfügungen nicht ableiten.

Fazit:

Die Entscheidung des BGH macht deutlich, dass bei der Abfassung einer Patientenverfügung unbedingt auf eine sorgfältige Formulierung geachtet werden muss. Um sicher zu gehen, dass die Formulierungen den rechtlichen Anforderungen Stand halten, empfiehlt es sich, die Beratung eines mit Patientenverfügungen vertrauten Anwalts bzw. Notars in Anspruch zu nehmen. Abzuraten ist insbesondere von der Verwendung selbst formulierter Texte oder von Formularen, die aus dem Internet heruntergeladen werden können.

Insbesondere sollte die Entscheidung des BGH auch zum Anlass genommen werden, vorhandene Patientenverfügungen daraufhin prüfen zu lassen, ob sie den vom BGH formulierten Anforderungen genügen. Ohnehin ist zu empfehlen, den Text einer vorhandenen Patientenverfügung generell etwa alle zwei Jahre auf Aktualität zu prüfen und ggf. anzupassen.

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