Am 21. Juni 2018 entschied der EuGH (C-20/17, Oberle) über die Frage, ob ein deutsches Nachlassgericht in einem internationalen Erbfall einen deutschen Erbschein ausstellen darf, wenn der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers nicht in Deutschland lag.
Dem EuGH war aufgrund einer Vorlage des Kammergerichts Berlin diese Frage zur Entscheidung vorgelegt worden. In dem zugrunde liegenden Fall war ein Erblasser französischer Staatsangehörigkeit mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich verstorben und hinterließ seinen beiden Söhnen Nachlassvermögen in Frankreich und in Deutschland. Auf Antrag war einem der Söhne vom Tribunal d'instance de Saint-Avold ein französischer Erbnachweis ausgestellt worden, der ihn und seinen Bruder als Miterben zu je ½ auswies. Sodann beantragte der Sohn die Ausstellung eines auf den in Deutschland belegenen Nachlassteil gegenständlich beschränkten Fremdrechts-Erbscheins, der ihn und seinen Bruder zu gleichberechtigten Miterben ausweist.
Nach den nationalen Vorschriften des deutschen FamFG ist eine solche Ausstellung immer u.a. dann möglich, wenn sich Nachlassgegenstände in Deutschland befinden. Dagegen sieht die EU-Erbrechtsverordnung (VO (EU) Nr. 650/2012) in Art. 4 EuErbVO vor, dass für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass allein die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ungeklärt und in Rechtsprechung und Literatur umstritten war die Frage, ob diese Regelungen zur internationalen Zuständigkeit auch die Zuständigkeit für die Ausstellung nationaler Erbnachweise umfasst, mit der Folge, dass die deutschen Vorschriften keine Anwendung finden.
Diese Frage wurde nun vom EuGH bejaht. Damit regelt die EU-Erbrechtsverordnung die Zuständigkeit für die Ausstellung nationaler Nachweispapiere abschließend.
Hat der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland gehabt, gilt für die weiterhin in der BRD lebenden Erben Folgendes: Zum Nachweis des bestehenden Erbrechts muss entweder ein nationales Dokument oder aber ein Europäisches Nachlasszeugnis vorgelegt werden. Beide Erbnachweisarten können in diesem Fall nicht in Deutschland beantragt werden. Die Erben sind gezwungen, den Antrag bei den zuständigen Behörden im Mitgliedstaat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers zu stellen. Zur Umschreibung des Grundbuchs bedarf es gem. § 35 GBO zwingend der Vorlage eines deutschen Erbscheins oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses. Ausländische nationale Erbnachweise reichen als Nachweis der Rechtsnachfolge nicht aus. Es empfiehlt sich daher, in Zukunft in internationalen Erbfällen sogleich ein Europäisches Nachlasszeugnis zu beantragen, das in allen Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Dänemark, Großbritannien und Irland) als Nachweis bzgl. der erbrechtlichen Stellung akzeptiert wird.