Seit Anfang des Jahres sind mit Umsetzung der Warenkaufrichtlinie umfangreiche Änderungen im Kaufrecht in Kraft getreten. Neben der Einführung eines neuen Sachmangelbegriffes und der Verlängerung der Beweislastumkehr bei Gewährleistungsansprüchen sieht das neue Kaufrecht nun auch eine Aktualisierungspflicht für Waren mit „digitalen Elementen“ bei b2c-Geschäften vor.
Was sind Waren mit digitalen Elementen?
Waren mit digitalen Elementen sind gemäß § 327a Abs. 3 S. 1 BGB solche Waren, die digitale Inhalte oder Dienstleistungen („Digitale Produkte“) enthalten oder so mit ihnen verbunden sind, dass sie ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können.
Digitale Produkte sind in diesem Fall alle digital erzeugten Daten wie bspw. Betriebssysteme, Apps oder andere Software. Sie sind in der Ware enthalten, wenn sie beim Kauf auf dem Gerät installiert sind oder nachträglich installiert werden. Digitale Produkte können mit der Ware aber auch nur verbunden sein; bspw. durch Installation einer Smartphone-App zur Steuerung einer vernetzten Smartwatch. Verbundene digitale Dienstleistungen sind typischerweise Cloud-Computing-Leistungen oder die fortlaufende Bereitstellung von Daten (bspw. Echtzeit-Verkehrsdaten für Navigationssysteme).
Welche Update-Pflichten gelten bei Waren mit digitalen Elementen?
Geschuldet sind zum Erhalt der Vertragsgemäßheit erforderliche funktionserhaltende Aktualisierungen. Funktionserhaltende Aktualisierungen sind insbesondere Sicherheitsupdates bei neu aufgetretenen Sicherheitslücken. Funktionserweiternde oder -verbessernde Aktualisierungen (Upgrades) sind hingegen nicht gesetzlich geschuldet.
Wie schnell und wie lange müssen Updates bereitgestellt werden?
Updates müssen innerhalb eines angemessenen Zeitraums zur Verfügung gestellt werden. Die Bereitstellungsfrist ist daher einzelfallbezogen zu bestimmen. Sie orientiert sich unter anderem an der Komplexität des Updates und den drohenden Folgen im Falle einer verspäteten Bereitstellung.
Wird das digitale Element „einmalig“ zur Verfügung gestellt, richtet sich der Aktualisierungszeitraum nach den vernünftigen Verbrauchererwartungen bezüglich der Art und des Zwecks der Ware und ihrer digitalen Elemente sowie unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags. Der Verbraucher wir im Normalfall erwarten, Updates mindestens für die Dauer der gesetzlichen Gewährleistung zu erhalten. Bei höherpreisigen, besonders hochwertigen Waren kann der Verbraucher aber auch von einer längeren, mehrjährigen Aktualisierungsdauer ausgehen. Diese kann den gesetzlichen Gewährleistungszeitraum gegebenenfalls deutlich übersteigen.
Im Falle einer „dauerhaften“, d.h. fortlaufenden Bereitstellung (z.B. im Wege eines Abos) müssen Aktualisierungen für den vereinbarten Bereitstellungszeitraum, jedoch mindestens für die Dauer von zwei Jahren, bereitgestellt werden.
Wer muss die Updates bereitstellen?
Zur Bereitstellung der Updates ist allein der Letztverkäufer und nicht der Lieferant oder Hersteller verpflichtet. Die Bereitstellungspflicht besteht auch dann, wenn der Letztverkäufer zur Herstellung der Updates technisch gar nicht in der Lage ist.
Kann der Letztverkäufer seinen Lieferanten bzw. den Hersteller in Regress nehmen?
Zwar gibt es gemäß § 445a Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 475b Abs. 4 BGB einen gesetzlichen Regressanspruch des Verkäufers gegen seinen Lieferanten, der im Wege des Kettenregresses bis zum Hersteller weitergegeben werden kann. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber die Aktualisierungsverpflichtung bis zum Hersteller durchreichen. Leider ist der Regressanspruch sprachlich misslungen. Bei wortgetreuer Auslegung wird ein praktischer Anwendungsbereich für diese Vorschrift nicht bestehen.
Denn der Anspruch umfasst nur Aufwendungen, die wegen der „Verletzung“ der Aktualisierungspflicht entstanden sind. Dem Unternehmer können updatebezogene Aufwendungen aber grundsätzlich nur entstehen, weil er der Aktualisierungspflicht nachgeht – beispielsweise durch den Einkauf oder die Herstellung der Updates. Dann beruhen die Aufwendungen jedoch auf der Erfüllung und nicht auf der Verletzung der Aktualisierungspflicht. Selbst wenn man argumentiert, der Anspruch sei weit, nicht wortlautgetreu auszulegen, kann ein Aufwendungsersatzanspruch den Lieferanten bzw. Hersteller letztlich nicht verpflichten, Aktualisierung zur Verfügung zu stellen.
Nach derzeitiger Rechtslage bestehen daher keine sicheren, effektiven Regressansprüche des Letztverkäufers gegen Lieferanten bzw. Hersteller. Ohne weitere Maßnahmen laufen Letztverkäufer bei b2c-Geschäften Gefahr, für nicht erfüllbare Aktualisierungspflichten zu haften.
Wie können sich Letztverkäufer bei b2c-Geschäften schützen?
Letztverkäufer können sich nach aktuellem Stand bei b2c-Geschäften nur schützen, indem sie effektive und auch durchsetzbare Regressansprüche mit Lieferanten bzw. Herstellern vertraglich vereinbaren oder die Aktualisierungspflicht gegenüber ihren Käufern ausschließen. Letzteres setzt aber eine negative Beschaffenheitsvereinbarung voraus, die den besonderen Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB genügen muss. Die negative Beschaffenheitsvereinbarung setzt im b2c-Geschäft neben einem besonderen Hinweis auf die fehlenden Aktualisierungen auch eine ausdrückliche, gesonderte Vereinbarung über die Abweichung von der gesetzlichen Aktualisierungspflicht voraus. Einfache Hinweise auf der Produktverpackung oder der Produktseite im Webshop reichen nicht aus.