Neues vom Urlaubsrecht

In den vergangenen Jahren hat insbesondere der Europäische Gerichtshof viele altbekannte Grundsätze für den Verfall von Urlaubsansprüchen verändert und dafür gesorgt, dass das Bundesarbeitsgericht die im Bundesurlaubsgesetz enthaltenen Regelungen anders auslegt, als man anhand des Wortlautes zunächst erwarten würde. Unter anderem mussten sich die Arbeitgeber darauf einstellen, dass gesetzlicher Urlaub, der von einem Arbeitnehmer aufgrund einer langandauernden Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch genommen werden konnte, erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt (u.a. BAG, Urteil vom 25.08.2020 – 9 AZR 214/19).

Zuletzt kam hinzu, dass ein Verfall von Urlaubsansprüchen nur dann eintreten kann, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer auf die Inanspruchnahme des Urlaubs und den ansonsten drohenden Verfall des Urlaubsanspruchs rechtzeitig und ausreichend deutlich hingewiesen hat (EuGH, Entscheidung vom 06.11.2018 – C-684/16).

Noch nicht entschieden ist jedoch, was passiert, wenn beide Sachverhalte zusammentreffen, wenn also ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht bereits zu Beginn eines Jahres über die Inanspruchnahme des Urlaubs und den andernfalls drohenden Verfall informiert hat und ein Arbeitnehmer im Verlauf eines solchen Jahres langfristig arbeitsunfähig oder sogar erwerbsunfähig wird und in der Folge im gesamten Urlaubsjahr plus dem 15-monatigen Übertragungszeitraum nicht mehr tätig werden kann. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob der Erholungsurlaub des dauerhaft arbeitsunfähigen Arbeitnehmers auch ohne Information des Arbeitnehmers verfällt oder ob eine Ansammlung von Urlaubsansprüchen erfolgt, die bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erheblichen Abgeltungsansprüchen des Arbeitnehmers führen kann.

Das Bundesarbeitsgericht sah sich nicht in der Lage, diese Frage zu klären, sondern hat am 07.07.2020 zwei Sachverhalte einer längerfristig arbeitsunfähigen Arbeitnehmerin (9 AZR 401/19) sowie eines voll erwerbsgeminderten Arbeitnehmers (9 AZR 245/19) dem Europäischen Gerichtshof mit dem Ersuchen um eine Vorabentscheidung vorgelegt. Dort soll geklärt werden, ob das Unionsrecht das Erlöschen des Urlaubsanspruchs einerseits bei einer andauernden Arbeitsunfähigkeit und andererseits bei einer im Verlaufe des Urlaubsjahres eintretenden vollen Erwerbsminderung des Arbeitnehmers 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres oder einer längeren Frist auch dann gestattet, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt hat, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaub bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bzw. der vollen Erwerbsminderung zumindest teilweise hätte nehmen können. Sofern diese Frage bejaht wird, fragt das Bundesarbeitsgericht weiter, ob unter diesen Voraussetzungen bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit bzw. voller Erwerbsminderung auch ein Verfall zu einem späteren Zeitpunkt ausgeschlossen ist.

Empfehlung:

Da aktuell nicht absehbar ist, wie der Europäische Gerichtshof diese Fragen beantworten wird, empfiehlt sich eine Information der Arbeitnehmer über ihren Urlaubsanspruch und dessen Verfall bei Nichtinanspruchnahme zu einem möglichst frühen Zeitpunkt im Jahr und – auch wenn es praktisch wenig sinnvoll erscheint – die entsprechende Information sollte auch gegenüber langzeiterkrankten Arbeitnehmern oder Arbeitnehmern mit voller Erwerbsminderung erteilt werden. Nur so können erhebliche Urlaubsabgeltungsansprüche im Falle der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, die gerade bei voll erwerbsgeminderten oder langzeiterkrankten Arbeitnehmern nicht selten vorkommen, vermieden werden.