Neues zum Darlehenswiderruf: Anlaufen der Widerrufsfrist trotz fehlerhafter Pflichtangabe

Kann ein Darlehensvertrag noch nach Jahren widerrufen werden, wenn im Darlehensvertrag zwar alle Pflichtangaben enthalten sind, eine Pflichtangabe jedoch fehlerhaft ist? Der BGH hat diese Frage nunmehr in einem aktuellen Urteil vom 28.07.2020 weitgehend geklärt und der Bank Recht gegeben, die sich auf den Standpunkt gestellt hatte, dass der Widerruf verfristet war. In jenem Fall war das Darlehen im März 2016 abgeschlossen, der Widerruf im August 2017 erklärt worden.

Erfüllung von Pflichtangaben als Voraussetzung für die Widerrufsfrist

Mit der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie hat der deutsche Gesetzgeber die Voraussetzungen für den Beginn der Widerrufsfrist neu geregelt. Für Darlehensverträge ab Juni 2010 setzt die Widerrufsfrist nicht mehr nur voraus, dass der Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wird. Vielmehr müssen hierfür im Darlehensvertrag diverse Pflichtangaben enthalten sein. Pflichtangaben sind z. B. die Angaben zur Art des Darlehens, zum Nettodarlehensvertrag oder zur Vertragslaufzeit.

Steht eine fehlerhafte Pflichtangabe dem Fehlen gleich?

In letzter Zeit wird in Widerrufsstreitigkeiten häufig der Einwand erhoben, die Bank habe einige Pflichtangaben im Darlehensvertrag fehlerhaft erteilt mit der Folge, dass die Widerrufsfrist nicht angelaufen sei. Denn die Fehlerhaftigkeit der Pflichtangabe stehe einem gänzlichen Fehlen gleich. Begründet wird dies damit, dass die vorgeschriebenen Angaben vollständig und inhaltlich zutreffend sein müssten, da sie anderenfalls ihren Zweck nicht erfüllten.

Nachholen einer Pflichtangabe nicht mehr sinnvoll möglich?

In einem Urteil vom 28.07.2020 (Az.: XI ZR 288/19) hat der BGH nun bestätigt, dass für das Anlaufen der Widerrufsfrist eine Pflichtangabe zwar im Grundsatz sachlich richtig sein müsse. Eine Ausnahme sei aber dann zu machen, wenn eine Nachholung der Pflichtangabe nicht sinnvoll sei und das Gesetz für einen Verstoß eine anderweitige Sanktion vorsehe. Diese Voraussetzungen sah der BGH im zugrundeliegenden Fall als erfüllt an, in dem die Bank Angaben zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung nicht ordnungsgemäß erteilt hatte. In diesem Fall ist der Anspruch des Darlehensgebers auf Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 2 Nr. 1 BGB dauerhaft ausgeschlossen. Durch die Nachholung der ordnungsgemäßen Angabe würde dieser Anspruch nicht wiederaufleben. Diese Sanktion sei, so der der BGH, abschließend. Auf den Beginn der Widerrufsfrist hatte die Fehlerhaftigkeit der Angabe somit keine Auswirkung.

Ausblick

Die differenzierte Betrachtungsweise des BGH ist zu begrüßen. Zwar betraf die Entscheidung vom 28.07.2020 unmittelbar nur die Pflichtangabe bezüglich der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung. Da das Gesetz in § 494 BGB jedoch in Bezug auf zahlreiche Pflichtangaben konkrete Sanktionen für den Fall ihrer Nichterfüllung vorsieht, lässt sich die Entscheidung ohne weiteres auf andere Pflichtangaben übertragen.

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