Neues zur Medienöffentlichkeit: Bald Kameras im Gerichtssaal?

Bereits in meinem Blog-Beitrag vom 11.05.2016 hatte ich über die Pläne von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) berichtet, Fernsehübertragungen aus Gerichtssälen zuzulassen. Dieser Beitrag knüpft daran an.

REFERENTEN- UND REGIERUNGSENTWURF LIEGEN VOR

Mittlerweile sind sowohl der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums als auch der Regierungsentwurf veröffentlicht. Diese sind im Wesentlichen inhaltsgleich. So sollen zukünftig:

  • Gerichtsverhandlungen in einen Nebenraum im Gericht, der allein Medienvertretern zugänglich sein soll (sog. Medienarbeitsraum), per Ton übertragen werden,
  • das Verbot der Fernsehaufnahmen und -übertragungen ausnahmsweise für Urteilsverkündungen vor den obersten Bundesgerichten nicht mehr gelten,
  • bei Verfahren von „herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung“ die Hauptverhandlung für wissenschaftliche oder historische Zwecke nach Maßgabe der Vorschriften der geltenden Archivgesetze aufgezeichnet werden können.

PRESSERAT WILL AUSWEITUNG DER VORGESEHENEN REGELUNG

Ich hatte bereits im letzten Blog-Beitrag zu diesem Thema die Befürchtung geäußert, dass die Gesetzesinitiative als Türöffner missbraucht werden könnte, um im nächsten Schritt vollständige Verhandlungen zu übertragen. Es ist logisch, dass gerade Medienvertreter hieran ein gesteigertes Interesse haben. Und siehe da: Der Deutsche Presserat hat bereits Kritik am Gesetzentwurf geäußert – weil dieser nicht weit genug gehe und in mehrfacher Hinsicht unzureichend sei. So kritisiert der Presserat, dass es dem Gericht überlassen sein soll, festzustellen, welches Verfahren von zeitgeschichtlicher Bedeutung sei, und meint, hierzu sei auch die Einschätzung von Journalisten erforderlich. Doch nach dem Gesetzentwurf sollen Verfahren von zeitgeschichtlicher Bedeutung eben nicht zum Zwecke der aktuellen Medienberichterstattung aufgezeichnet werden können, sondern ausdrücklich nur zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken. Wieso also sollten Journalisten über die zeitgeschichtliche Bedeutung eines Verfahrens mitbestimmen dürfen, die eben nicht Wissenschaftler oder Historiker sind? Hieran zeigt sich schon das wahre Ansinnen des Presserats – die möglichst weite Ausdehnung der Medienöffentlichkeit.

JURISTISCHE PRAXIS ÄUSSERT SICH SKEPTISC

Die juristische Praxis äußert sich hingegen kritisch bis eher verhalten zu den vorgelegten Gesetzesentwürfen:

So warnt der Deutsche Richterbund davor, häufiger Kameras im Gerichtssaal zuzulassen. Zutreffend stellt der Verbandschef fest, dass durch Kameras im Gerichtssaal alle Beteiligten negativ beeinflusst werden können, insbesondere Angeklagte und Zeugen.

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) setzt sich ebenfalls kritisch mit dem Gesetzentwurf auseinander. Im Ergebnis überwiegen nach Ansicht der BRAK die Nachteile der vorgeschlagenen Neuerungen bzw. bringen diese nicht die erhofften Vorteile.

Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) steht den Vorschlägen laut seiner Stellungnahme eher skeptisch gegenüber, insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Rechte der Verfahrensbeteiligten.

FAZIT

Die „Profis“ der täglichen, juristischen Praxis stehen den Neuerungen überwiegend kritisch gegenüber. Und das zu Recht: Die Kontrolle des Gerichts durch die Öffentlichkeit ist wichtig. Dazu genügt aber die Verfahrensöffentlichkeit in ihrer jetzigen Ausprägung. Eine darüber hinausgehende Öffnung für die Medienöffentlichkeit dürfte dem Verfahren und den Verfahrensbeteiligten eher schaden als nützen. Ein Gerichtsprozess dient nicht der Befriedigung des Informationsbedürfnisses (oder der Sensationsgier) des Einzelnen, sondern zur Findung einer –  im Wortsinne – gerechten Entscheidung.