Neues zur Vergütung von Fahrtzeiten von Außendienstmitarbeitern

Kurz vor der „Corona-Pause“ gab es am 18.03.2020 eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Vergütung von Fahrtzeiten bei Außendienstmitarbeitern:

Sachverhalt

Geklagt hatte ein im Außendienst beschäftigter Mitarbeiter, dessen Arbeitgeberin aufgrund ihrer Mitgliedschaft im vertragsschließenden Arbeitgeberverband an die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels in Niedersachsen gebunden ist. Die Tarifverträge finden auf das Arbeitsverhältnis kraft dynamischer Bezugnahme im Arbeitsvertrag Anwendung und enthalten Regelungen zum Entgelt der Beschäftigten. In einer geltenden Betriebsvereinbarung ist geregelt, dass Anfahrtszeiten zum ersten und Abfahrtszeiten vom letzten Kunden nicht zur Arbeitszeit der Außendienstmitarbeiter zählen, wenn sie 20 Minuten nicht übersteigen. Der Arbeitnehmer verlangte die Gutschrift der nicht berücksichtigten Fahrtzeiten auf dem Arbeitszeitkonto und klagte beim zuständigen Arbeitsgericht. Sowohl das Arbeits- als auch das Landesarbeitsgericht hielten die Regelung in der Betriebsvereinbarung für wirksam und wiesen die Klage ab. Das Bundesarbeitsgericht sah dies anders:

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts 

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass Regelungen einer Betriebsvereinbarung, welche die vergütungspflichtigen Fahrtzeiten eines Außendienstmitarbeiters verkürzen, wegen Verstoßes gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 S. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) unwirksam sind, wenn die betreffenden Zeiten nach den Bestimmungen des einschlägigen Tarifvertrags uneingeschränkt der entgeltpflichtigen Arbeitszeit zuzurechnen und mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten sind. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel zugunsten abweichender Betriebsvereinbarungen enthält. Der betroffene Arbeitnehmer konnte daher vorliegend die Gutschrift der Fahrtzeiten auf dem Arbeitszeitkonto verlangen.

Fazit

Gibt es einen anzuwendenden Tarifvertrag, der Arbeitsentgelte und Vertragsbedingungen im Sinne von § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG regelt, kann von diesen Regelungen nur dann durch eine Betriebsvereinbarung abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag gemäß § 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG eine entsprechende Öffnungsklausel enthält. Gibt es zwar einen Tarifvertrag, findet dieser jedoch auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung, sind abweichende Regelungen im Rahmen einer Betriebsvereinbarung ebenfalls möglich.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zeigt, dass die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG oftmals schlichtweg von den Betriebsparteien übersehen wird. Es ist deshalb besonders wichtig, bereits vor dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung prüfen zu lassen, ob und inwieweit abweichende Regelungen durch eine Betriebsvereinbarung überhaupt möglich sind.