In den vergangenen Monaten haben europäische Wettbewerbsbehörden verstärkt sogenannte No-Poach-Abreden ins Visier genommen. Hierüber haben wir bereits berichtet (siehe hier). Diese Vereinbarungen, bei denen Unternehmen sich verpflichten, gegenseitig keine Mitarbeiter abzuwerben, werden zunehmend als wettbewerbsbeschränkend eingestuft.
Einordnung durch die Europäische Kommission
Im November 2023 durchsuchte die Europäische Kommission die Geschäftsräume des Essenslieferdienstes Delivery Hero und seiner Tochtergesellschaft Glovo in Berlin und Barcelona aufgrund des Verdachts auf No-Poach-Abreden. Dies war die erste öffentliche Maßnahme der Kommission gegen solche Vereinbarungen.
Im Mai 2024 veröffentlichte die Europäische Kommission einen "Competition Policy Brief", der klarstellt, dass sowohl No-Poach-Abreden als auch Gehaltsabsprachen (Wage-Fixing) in der Regel als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen gelten und somit dem Kartellverbot unterliegen. Die Kommission führt u.a. aus:
„[Wir vertreten die Ansicht], dass alle Formen von "No-Poach"-Vereinbarungen, einschließlich Vereinbarungen über Einstellungsverbote und Abwerbeverbote … wahrscheinlich als Beschränkungen des Wettbewerbs aufgrund ihres Zwecks einzustufen sind. Sie sind alle ausdrücklich gemäß Artikel 101 Absatz 1 Buchstabe c AEUV verboten, da sie das wettbewerbswidrige Ziel verfolgen, Arbeitnehmer daran zu hindern, frei zwischen konkurrierenden Arbeitgebern zu wechseln, und/oder die Suchkosten für Arbeitnehmer zu erhöhen. Dadurch verursachen sie fast immer wirtschaftlichen Schaden für Arbeitnehmer und die Marktstruktur. Die Tatsache, dass eine "No-Poach"-Vereinbarung ein legitimes Ziel haben könnte, schließt ihre Qualifikation als Beschränkung aufgrund ihres Zwecks nicht aus. “
Die Kommission betont zudem, dass der Rahmen für eine mögliche Rechtfertigung solcher Vereinbarungen äußerst eng ist und einer sorgfältigen Prüfung im Einzelfall bedarf. Der Brief hebt hervor, dass „Wage-Fixing und No-Poach-Abreden in den meisten Fällen als Beschränkungen nach Art. 101 AEUV qualifiziert werden und es unwahrscheinlich ist, dass sie die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllen.“ (competition-policy.ec.europa.eu).
Die Kommission qualifiziert die No-Poach-Abreden damit als in der Regel besonders schwerwiegende Wettbewerbsbeschränkungen, deren schädliche Wirkungen nicht gesondert festgestellt werden muss. Die Aussagen der Kommission sind auch deshalb brisant, weil die Kommission in der Mehrzahl der Fälle solcher No-Poach-Abreden nicht selbst zuständig sein dürfte. Arbeitsmärkte sind nach ihren eigenen Feststellungen in der Regel „national, regional oder lokal“, so dass die mitgliedstaatlichen Kartellbehörden am ehesten mit solchen Fallgestaltungen in Berührung kommen werden.
Weitere Stimmen
Auch in Deutschland rückt dieses Thema stärker in den Fokus. Zwar liegen derzeit keine offiziellen Stellungnahmen des Präsidenten des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, zu No-Poach-Abreden vor. Anlässlich der Arbeitssitzung der Studienvereinigung Kartellrecht in Bonn Anfang Dezember 2024 ließ Herr Mundt jedoch anklingen, dass das Bundeskartellamt diese Thematik aufmerksam verfolgt.
Im Juli 2023 erklärte die belgische Wettbewerbsbehörde, dass sie mehrere Sicherheitsunternehmen verdächtigt, gegen das Kartellverbot verstoßen zu haben, indem sie No-Poach-Abreden bezüglich der Mitarbeiter von Wettbewerbern eingegangen sind.
Auch die portugiesische Kartellbehörde ist bei dem Thema aktiv und hat mit ihrem detaillierten Best Practice Guide eine Vorreiterrolle angenommen (siehe hier).
Empfehlung
Die Entwicklungen verdeutlichen, dass No-Poach-Abreden zunehmend als ernsthafte Verstöße gegen das Kartellrecht angesehen werden. Unternehmen sollten daher ihre Personalstrategien und -praktiken sorgfältig überprüfen, um sicherzustellen, dass sie nicht unbeabsichtigt gegen Wettbewerbsregeln verstoßen. Insbesondere sollten Personalabteilungen und Führungskräfte für die kartellrechtlichen Risiken sensibilisiert und entsprechende Compliance-Maßnahmen implementiert werden.
Interessante News zum Kartellrecht finden Sie auch hier (www.kartellrecht-im-ruhrgebiet.de).