NRW eröffnet Commercial Court und Commercial Chambers

Staatliche Gerichte haben für Wirtschaftsakteure in den letzten Jahren zunehmend an Attraktivität verloren. Die Folge: Wirtschaftsstreitigkeiten werden bevorzugt im Ausland oder vor Schiedsgerichten ausgetragen. Um dem entgegen zu wirken, hatte der Bundestag schon im vergangenen Jahr das Justizstandort-Stärkungsgesetz beschlossen, welches am 01.04.2025 in Kraft getreten ist. Danach können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung für bestimmte Streitigkeiten sogenannte Commercial Courts und Commercial Chambers errichten. NRW, gemäß § 1 Abs. 2 des Justizgesetzes NRW durch das Justizministerium vertreten, hat eine solche Rechtsverordnung bereits erlassen. Seit dem 03.04.2025 bestehen ein Commercial Court am Oberlandesgericht Düsseldorf sowie Commercial Chambers an den Landgerichten Bielefeld, Düsseldorf, Essen und Köln.

Commercial Court am Oberlandesgericht Düsseldorf

Die Zuständigkeit des Commercial Court erfordert grundsätzlich eine dahingehende Vereinbarung der Parteien und ist vorerst auf bestimmte bau-, gesellschafts- und versicherungsrechtliche Streitigkeiten ab einem Streitwert von 500.000 Euro beschränkt. Ein Verfahren vor diesem Spruchkörper bietet aber vor allem drei Besonderheiten:

  • Zunächst können die Parteien das Verfahren vollständig in englischer Sprache führen und in diesem Fall englischsprachige Urkunden vorlegen, ohne dass zugleich eine Übersetzung dieser Urkunden beigefügt werden muss. Es bleibt jedoch stets möglich, einen Dolmetscher hinzuzuziehen, soweit das erforderlich ist. In gewissen Konstellationen führt zudem der Antrag eines Dritten dazu, dass ein Dolmetscher zwingend hinzuzuziehen ist. Das gilt etwa, wenn einem Dritten der Streit verkündet wird und der Dritte dadurch in das Verfahren einbezogen wird.
  • Bei übereinstimmenden Anträgen der Parteien ist schließlich vorgesehen, dass ein während der Verhandlung oder Beweisaufnahme mitlesbares oder einfaches Wortprotokoll geführt wird. Das unterscheidet sich erkennbar von einem „üblichen“ Protokoll, in dem nur wesentliche Vorgänge festgehalten werden (§ 160 der Zivilprozessordnung).

Commercial Chambers an den Landgerichten Bielefeld, Düsseldorf, Essen und Köln

Daneben haben vier Landgerichte in NRW nun Commercial Chambers, die den Parteien in bestimmten Fällen ebenfalls ein vollständig englischsprachiges Verfahren einschließlich Organisationstermin und Wortprotokoll ermöglichen. Das betrifft Streitigkeiten mit Bezug zum Recht der erneuerbaren Energien ab einem Streitwert von über 100.000 Euro vor den Landgerichten Bielefeld und Essen, aus Unternehmenstransaktionen ab einem Streitwert von über 500.000 Euro vor dem Landgericht Düsseldorf und aus dem Bereich der Informationstechnologie ab einem Streitwert von über 100.000 Euro vor dem Landgericht Köln. Im Übrigen können die Commercial Chambers dieser Landgerichte bereits ab einem Streitwert von über 5.000 Euro tätig werden in allen Fällen, in denen die Zuständigkeit des Commercial Court ab einem Streitwert von 500.000 Euro gegeben wäre.

Ausblick und Bedeutung für die Praxis

Ob und in welchem Umfang die neuen Spruchkörper genutzt werden, wird sich erst noch zeigen. Wirtschaftsakteure könnte insoweit etwa abhalten, dass der Bundesgerichtshof einer Verfahrensführung in englischer Sprache zustimmen muss (§ 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Zivilprozessordnung). Somit besteht die Gefahr, dass ein bis dahin stets in englischer Sprache geführter Prozess vor dem Bundesgerichtshof in deutscher Sprache zu führen ist. Es bleibt daher nur zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof seine Zustimmung zumindest in solchen Fällen grundsätzlich erteilt. Unabhängig davon gilt für die Praxis: Die neuen Optionen sollten bei der Vertragsgestaltung mitberücksichtigt werden.

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