Per Rangierlok über die Seidenstraße ins Reich der Mitte

Das Bundeskartellamt hat den Erwerb des Rangierlokherstellers Vossloh Locomotives, einer Tochter der Vossloh AG, durch den chinesischen Schienenfahrzeughersteller CRRC am 27. April 2020 im Hauptprüfverfahren freigegeben. In dem Zusammenschluss haben sich gleich mehrere interessante Fragestellungen fusionskontrollrechtlicher, aber auch wirtschaftspolitischer Art aufgetan.

Hintergrund

Gem. § 36 Abs. 1 GWB ist ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, vom Bundeskartellamt zu untersagen. Hierbei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, die nach ständiger Rechtsprechung des BGH davon abhängt, ob rechtliche oder tatsächliche Umstände dem marktbeherrschenden Unternehmen zwar nicht zwingend, aber doch mit einiger Wahrscheinlichkeit eine günstigere Wettbewerbssituation verschaffen.

Die Entscheidung

Der Markt für Rangierlokomotiven ist nach Auffassung des Bundeskartellamtes durch einige Besonderheiten geprägt. Zunächst seien Rangierlokomotiven langlebige Produkte, die zudem nur unregelmäßig in größeren Stückzahlen abgesetzt würden. Daher schwankten die Marktanteile der Unternehmen stark. Dem begegnete das Bundeskartellamt, indem es den Absatz der letzten fünf Jahre anstatt, wie sonst üblich, der Marktanteile nur für das letzte Jahr betrachtete. Ferner verlängerte es den Prognosezeitraum auf fünf bis zehn Jahre anstelle der sonst üblichen drei bis fünf Jahre, weil zwischen Auftragserteilung und Auslieferung üblicherweise erheblicher Zeitverzug besteht. Schließlich betrachtete es die Entwicklung der beiden Unternehmen. Während CRRC seine Marktstellung enorm ausbaute und gerade erst im Begriff sei, in den europäischen Markt einzudringen, plane Vossloh schon länger seinen Rückzug aus dem Geschäft mit Rangierlokomotiven. Zudem durchlaufe der Markt aufgrund neuerer technischer Entwicklungen eine dynamische Phase.

Eine zweite Besonderheit dieses Falls liegt darin begründet, dass der Erwerber mittelbar zu 51% im Eigentum des chinesischen Staates steht. Gestützt auf die Beherrschungsvermutung gem. § 36 Abs. 2 GWB i.V.m. § 17 Abs. 2 AktG ging das Bundeskartellamt davon aus, dass alle mehrheitlich im chinesischen Staatsbesitz befindlichen Unternehmen einen Konzernverbund bilden, zumal das erklärte Ziel der Beteiligungen gerade darin bestehe, Einfluss zu nehmen. Entsprechend wächst der wettbewerbliche Verhaltensspielraum der CRRC. Vor allem aber hätten gerade derartige unter staatlicher Kontrolle stehende Konzernverbünde oftmals die Möglichkeit, Niedrigpreisstrategien zu fahren. Dies gelte umso mehr, als dass CRRC besonderen Zugang zu staatlichen Finanzmitteln und Subventionen habe.

Vor diesem Hintergrund gab das Bundeskartellamt den Zusammenschluss trotz eines Marktanteils von Vossloh Locomotives von derzeit 40-50% frei. Das Bundeskartellamt sah sich trotz der Besonderheiten der CRRC als Erwerber und auch gerade wegen der Besonderheiten in Bezug auf die Stellung der beteiligten Unternehmen auf dem Markt für Rangierlokomotiven und der damit verbundenen Prognoseschwierigkeiten nicht im Stande, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine marktbeherrschende Stellung des zusammengeschlossenen Unternehmens zu prognostizieren. Hierbei verglich es verschiedene Szenarien der Marktanteilsentwicklung.

Außenwirtschaftliche Interessen

Der Erwerb eines Unternehmens ist von besonderem außenwirtschaftspolitischen Interesse, wenn der Erwerber – wie im Fall von CRRC – vom chinesischen Staat kontrolliert wird. Das Bundeskartellamt stellte im Fallbericht zu seiner Entscheidung allerdings klar, dass handelspolitische oder vergaberechtliche Fragen im Rahmen seiner Prüfung der Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht relevant seien.

Fazit

Der Fall kombiniert die Besonderheiten eines Markts mit industriepolitischen Zielen, die gerade auch mit diesen Besonderheiten im Zusammenhang stehen. Er dürfte von wegweisender Bedeutung für die Fusionskontrolle unter Beteiligung chinesischer Unternehmen sein, weil er in dem Zusammenhang eine Reihe von Problematiken aufwirft.

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