Pflichtteilsstrafklauseln und wie man damit umgeht

Es ist ein Klassiker der Testamentsgestaltung, dass in ein Berliner Testament, bei dem sich die Ehegatten zunächst wechselseitig als Vollerben und die Kinder als Schlusserben des Letztlebenden einsetzen, eine Pflichtteilsstrafklausel aufgenommen wird. Diese besagt, dass ein Kind, das nach dem Erbfall des vorverstorbenen Elternteils den Pflichtteil fordert, beim zweiten Erbfall auf den Pflichtteil gesetzt wird. Rechtlich ist das eine bedingte Enterbung.

In der Nachlassabwicklung kann das aber zu Problemen führen, insbesondere, wenn Grundstücke zum Nachlass gehören. Zum Nachweis der Erbfolge beim zweiten Erbfall reicht im Grundbuchverfahren grundsätzlich ein notarielles Testament aus. Daraus ergibt sich in der Form des § 29 GBO die Erbfolge. Bei einer Pflichtteilsstrafklausel ist aber noch die Frage vom Grundbuchamt zu klären, ob denn ein Kind beim ersten Erbfall den Pflichtteil geltend gemacht hat mit der Folge, dass es beim zweiten Erbfall als Erbe ausscheidet.

Wie können nun die Kinder beim zweiten Erbfall belegen, dass kein Kind den Pflichtteil geltend gemacht hat, also keine Enterbung eingetreten ist? Man sollte meinen, dass es dafür angesichts der Häufigkeit dieser Problemstellung eine einheitliche Lösung gibt. Weit gefehlt. Allein in diesem Jahr sind dazu von drei Oberlandesgerichten drei in jeder Hinsicht voneinander abweichende Entscheidungen ergangen.

Das Kammergericht hat sich in einer Entscheidung vom 09.07.2024 – 1 W 27/24 auf den Standpunkt gestellt, dass in einem solchen Fall nur ein Erbschein hilft. Dieser ist sicherlich eindeutig und aussagekräftig ist, für die Erben allerdings ein teures Unterfangen. Das OLG Frankfurt hat mit einer Entscheidung vom 12.09.2024 – 20 W 212/23 entschieden, dass die negative Tatsache (Nichtgeltendmachung des Pflichtteils durch einen Erben) – alternativ zu einem Erbschein – durch Vorlage einer nach § 38 BeurkG notariell beurkundeten eidesstattlichen Versicherung aller Erben, dass keiner von ihnen nach dem Tod des Erstverstorbenen den Pflichtteil geltend gemacht habe, nachgewiesen werden könne. Das OLG Frankfurt verlangt also anders als das Kammergericht zwar nicht unbedingt einen Erbschein, aber doch immerhin eine notariell zu beurkundende Erklärung. Eine reine Unterschriftsbeglaubigung genüge ausdrücklich nicht. Das OLG Schleswig wiederum hatte mit Entscheidung vom 16.08.2024 – 2x W 46/24 zwar zunächst festgestellt, dass ein Erbschein ebenfalls geeignet sei, eine notariell aufgenommene eidesstattliche Versicherung aber untauglich sei. Diese hätte keinen besonderen Wert, da die eigentlich mit einer solchen Erklärung verbundene Strafbarkeit – die die Richtigkeitsgewähr erst herstelle – hier aber gerade nicht gegeben sei, weil diese Rechtsfolge im Gesetz für diesen Fall nicht vorgesehen sei (nulla poene sine lege). Das OLG Frankfurt sah das allerdings gerade anders, weil anerkannt sei, dass das Grundbuchamt die Erklärung entgegennehmen könne, sei es folglich auch eine Stelle, der gegenüber eine solche Erklärung gesetzlich abgegeben werden könne; und allein daraus ergebe sich auch die Strafbarkeit. Nun könne man meinen, dass das OLG Schleswig also auch – wie das Kammergericht – nur den Erbschein für tauglich halten würde, weit gefehlt.

Das OLG Schleswig kommt zu dem Schluss, dass eine Eidesstattliche Versicherung mangels Strafbarkeit untauglich und daher unzulässig, folglich auch nicht notwendig sei. Vielmehr genüge einfache Erklärung aller Erben, dass keiner den Pflichtteil geltend gemacht hätte, allerdings in der Form des § 29 GBO. Eine notarielle Beurkundung nach § 38 BeurkG wäre dafür nicht notwendig, eine einfache Unterschriftsbeglaubigung würde reichen.

Nun ist die Verwirrung komplett. Man wird aktuell für den jeweiligen Oberlandesgerichtbezirk klären müssen, welche Anforderungen jeweils gelten. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof (Az.: V Z B 40/24), bei dem die Revision gegen die Entscheidung des Kammergerichts bereits anhängig ist, bald für Klarheit sorgt.

Angesichts dieser Problemlage wird gelegentlich vorgeschlagen, statt Pflichtteilsstrafklausel besser dem überlebenden Ehegatten im Testament zu gestatten, dass er durch weiteres Testament ein Kind, das beim ersten Erbfall den Pflichtteil geltend gemacht hat, zu enterben. Auf den ersten Blick erscheint das als die Lösung des Problems. Allerdings ist nicht sichergestellt, dass der überlebende Ehegatte in dem entscheidenden Augenblick auch noch testierfähig ist. Angesichts zunehmender Alterung und Demenzneigung ist auch dieser Weg mit Unwägbarkeiten verbunden.