Potentieller Klarstellungsbedarf für Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen

A. Kurzzusammenfassung und Praxistipp

Das Landgericht Hannover hat im Zusammenhang mit Auskunftsansprüchen gem. § 51a GmbHG eine Schiedsklausel in einem Gesellschaftsvertrag ausgelegt. Die Auslegung ergab, dass die Parteien die Entscheidung über gesetzliche Auskunftsansprüche gem. § 51a GmbHG dem Schiedsgerichts zuweisen wollten.

Sollen gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht entschieden werden, sollte eine umfassende Schiedsklausel in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden. Grundsätzlich ist empfehlenswert, sich an der Musterschiedsklausel der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. („DIS“) zu orientieren. Vor dem Hintergrund der nun ergangenen Entscheidung des LG Hannover sollte im Einzelfall geprüft werden, ob aus Klarstellungsgründen in die Schiedsklausel der Zusatz aufgenommen werden muss, dass die Schiedsklausel auch alle gesetzlichen Ansprüche erfasst.

B. Sachverhalt

In der Entscheidung des LG Hannover (Beschluss vom 10. August 2022, Az. 23 O 77/22) stritten die Parteien über die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen eines Gesellschafters nach § 51a GmbHG.

Der Gesellschaftsvertrag enthielt eine Schiedsklausel, die sich an der Musterschiedsklausel der DIS unter Berücksichtigung der Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten („DIS-ERGeS“, Anlage 5 zur DIS-SchO 2018) orientierte (folgend auszugsweise die Musterschiedsklausel der DIS):

Alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern im Zusammenhang mit diesem Gesellschaftsvertrag oder über dessen Gültigkeit werden nach der Schiedsgerichtsordnung und den Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DIS-ERGeS) der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig entschieden.

 

Es entstand Streit darüber, ob es sich bei Ansprüchen aus § 51a GmbHG um Streitigkeiten „im Zusammenhang mit diesem Gesellschaftsvertrag“ handelte. Im Rahmen der vor dem Landgericht Hannover erhobenen Schiedseinrede (vgl. § 1032 Abs. 1 ZPO) wurde argumentiert, dass die Ansprüche gem. § 51a GmbHG gesetzliche und nicht vertragliche Ansprüche seien. Die Schiedsklausel im Gesellschaftsvertrag erfasse diese Ansprüche daher nicht, weil sie nicht im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag stünden.

C. Entscheidung des LG Hannover und Einordnung

Dies sah das LG Hannover in dem konkreten Einzelfall anders. Das LG Hannover legte die Schiedsklausel des Gesellschaftsvertrages aus. Dabei kam es im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass eine Trennung zwischen gesellschaftsvertraglich geregelten und 

Gesellschaftsvertrages sei eine umfassende Geltung der Schiedsvereinbarung für alle Ansprüche im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag gewollt gewesen. Dies ergebe sich aus der Heranziehung der Musterklausel der DIS. Ziel der DIS-ERGeS sei es, die umfassende Beilegung gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten auf schiedsgerichtlichem Weg nach Maßgabe der Anforderungen in den einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu ermöglichen (siehe BGH Entscheidungen, Schiedsfähigkeit I vom 29. März 1996, Az. II ZR 124/95, und Schiedsfähigkeit II vom 6. April 2009, Az. II ZR 255/08). Indem bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages diese Musterklausel mit geringfügigen Ergänzungen übernommen wurde, hätten die Gesellschafter zum Ausdruck gebracht, dass sie damit die Beilegung aller gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten auf schiedsgerichtlichem Weg regeln wollten. Das LG Hannover entschied folgerichtig, dass das Schiedsgericht zuständig sei.

Die Einordnung des LG Hannover ist zu begrüßen. Einerseits sind Auskunftsansprüche gem. § 51a GmbHG schiedsfähig (OLG Hamm, Beschluss vom 7. März 2022, Az. 15 W 355/99). Andererseits ist die Musterschiedsklausel bereits vom Wortlaut her darauf ausgerichtet, dass „(a)lle Streitigkeiten […]“ von der Schiedsklausel erfasst sind. Da eine Differenzierung zwischen gesetzlich geregelten und vertraglichen Ansprüchen nicht vorgenommen wurde, legt dies die Erfassung von Streitigkeiten über gesetzliche Ansprüchen nahe. Dieses Argument gewinnt vor dem Hintergrund der Entscheidung des LG Hannover zu der Auslegung der übrigen Schiedsklausel an Gewicht.

Allerdings kann dies nicht für solche Fälle gelten, in denen die Parteien eine andere Regelung zur Reichweite der Schiedsklausel treffen wollten. Ob dies der Fall ist, wird unter Berücksichtigung des genauen Wortlauts der Schiedsklausel und insbesondere der Verhandlungen im Vorfeld des Vertragsschlusses festgestellt werden müssen. Kommt man im Rahmen einer Auslegung des Gesellschaftsvertrages zu mehreren überzeugenden Ergebnissen, sollte – falls dies von den Gesellschaftern gewollt – darüber nachgedacht werden, ob im Rahmen einer (außerordentlichen) Gesellschafterversammlung eine Klarstellung in der Schiedsklausel mit Blick auf die gesetzlichen Ansprüche beschlossen werden soll.