Praxisrelevante Änderungen im Rahmen der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

Am 01.01.2023 tritt das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrecht in Kraft. Auch wenn der Titel des Gesetzes dies nicht auf Anhieb vermuten lässt, bringt die Reform auch außerhalb von Vormundschaft und Betreuung einige praxisrelevante Neuerungen mit sich.

Die Reform beinhaltet nicht weniger als eine völlige Neustrukturierung des gesamten Vormundschafts- und Betreuungsrechts einschließlich der Regelungen über die Vorsorgevollmacht. Für die notarielle Praxis interessant sind dabei insbesondere die Änderungen der Genehmigungstatbestände im Betreuungsrecht. Dieser Beitrag soll einen ersten kurzen Überblick über die in diesem Bereich in Kraft tretenden wichtigsten Neuregelungen geben.

Neuregelung der Genehmigungstatbestände im Vormundschafts- und Betreuungsrecht

Die Genehmigungstatbestände im Vormundschafts- und Betreuungsrecht werden im Rahmen der Reform nicht nur neu nach Lebenssachverhalten geordnet (§§ 1850 – 1854 BGB n.F.), sondern erfahren auch wesentliche Neuregelungen. Da die im Vormundschafts- und Betreuungsrecht verankerten Genehmigungstatbestände (bisher insb. §§ 1821, 1822 BGB) wegen § 1643 Abs. 1 BGB gleichzeitig auch auf die gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern ausstrahlen und diese beschränken, sind die Änderungen auch für zukünftige lebzeitige Vermögensübertragungen an Minderjährige – z.B. im Bereich der vorweggenommenen Erbfolge – bedeutsam. Die wichtigsten Änderungen betreffen das Erfordernis der familiengerichtlichen Genehmigung bei Schenkungen von Wohnungs- oder Teileigentum sowie der Erwerb und die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (unabhängig von der Frage, ob ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist oder nicht):

NEU: Genehmigungsbedürftigkeit bei schenkweiser Übertragung von Wohnungs- oder Teileigentum an Minderjährige

Der unentgeltliche Erwerb von Grundbesitz durch einen Minderjährigen ist bisher nicht von den Tatbeständen in §§ 1821, 1822 BGB erfasst und daher grundsätzlich genehmigungsfrei. Die Genehmigungsfreiheit galt bisher auch für den schenkweisen Erwerb einer Eigentumswohnung oder einer Garage. Dies ändert sich unter der neuen Gesetzeslage: Die Neuregelung sieht nunmehr ausdrücklich vor, dass der unentgeltliche Erwerb von Wohnungs- oder Teileigentum durch einen Minderjährigen künftig der Genehmigung durch das Familiengericht bedarf (§ 1643 Abs. 1 BGB n.F. i.V.m. § 1850 Nr. 4 BGB n.F.). Der unentgeltliche Erwerb von Grundbesitz, der nicht Wohnungs- bzw. Teileigentum ist, bleibt weiterhin ohne familiengerichtliche Genehmigung möglich.

NEU: Genehmigungsbedürftigkeit bei Erwerb und Veräußerung von Gesellschaftsbeteiligungen durch Minderjährige

Die Frage, ob der Erwerb bzw. die Veräußerung von Gesellschaftsbeteiligungen durch Minderjährige der Genehmigung des Familiengerichts bedarf, ist derzeit nicht klar gesetzlich geregelt. Nach der bisherigen Regelung in § 1822 Nr. 3 BGB bedarf es der familiengerichtlichen Genehmigung „zu einem Vertrag, der auf den entgeltlichen Erwerb oder die Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts gerichtet ist, sowie zu einem Gesellschaftsvertrag, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird.“

Zwar besteht in Rechtsprechung und Literatur weitgehend Einigkeit, dass zumindest der Erwerb von Beteiligungen an Personengesellschaften, die ein Erwerbsgeschäft betreiben, von § 1822 Nr. 3 BGB erfasst wird. Uneinheitlicher ist das Bild hingegen bei Erwerb bzw. Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften: Zur Frage, wann bei Erwerb bzw. Veräußerung von GmbH- bzw. AG-Anteilen durch Minderjährige Genehmigungsbedürftigkeit vorliegt, hat sich eine bisweilen unübersichtliche Rechtsprechung entwickelt, die neben der Größe des erworbenen Geschäftsanteils vor allem auch darauf abstellt, ob dieser vom Minderjährigen vor oder nach der Eintragung zum Handelsregister erworben wird. Die unklare gesetzliche Regelung wurde in der Vergangenheit zu Recht kritisiert.

Auch hier sorgt der Gesetzgeber mit der Neuregelung nun für mehr Klarheit: Nach § 1852 Nr. 1 BGB n.F. besteht zukünftig ein Genehmigungserfordernis für alle Erwerbe und Veräußerungen von Erwerbsgeschäften oder Anteilen an Personen- oder Kapitalgesellschaften, die ein Erwerbsgeschäft betreiben. Eine Ausnahme vom Genehmigungserfordernis wird somit nur noch dann möglich sein, wenn es sich um Anteile an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft handelt.

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