Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 25.09.2024 (VIII ZR 176/21) seine bisherige Rechtsprechung zur sogenannten Dreijahreslösung bestätigt und für den Fall mehrfacher Widersprüche einen Fernwärmekunden gegen Preisänderungen fortentwickelt. Mit der Dreijahreslösung hat der BGH den Zeitraum festgelegt, für den Rückzahlungsansprüche von Fernwärmekunden bei Unwirksamkeit der mit ihrem Fernwärmeversorger vereinbarten Preisänderungsklausel anerkannt werden.
Preisänderungsmöglichkeiten in Wärmelieferungsverträgen
Wärmelieferungsverträge werden in aller Regel langfristig geschlossen. § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV gibt den Vertragsparteien einen Mechanismus an die Hand, den bei Vertragsschluss vereinbarten Preis durch Preisänderungsklauseln an die veränderten Umstände anzupassen. Entspricht die Preisänderungsklausel - zu Beginn oder später während der Vertragslaufzeit nicht (mehr) den Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV - weil sie nicht (mehr) die Kostenentwicklung und die Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigt und/oder nicht (mehr) den Transparenzanforderungen genügt – ist bzw. wird sie gemäß § 134 BGB unwirksam.
Dreijahreslösung des BGH bei Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel
Die infolge der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel entstandene planwidrige Regelungslücke führt dann zu einer nicht mehr hinnehmbaren Störung des Vertragsgefüges, wenn der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen des Versorgers über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht. Hat der Kunde die in der Vergangenheit erfolgten Preiserhöhungen über einen längeren Zeitraum unbeanstandet gelassen und damit dem Versorger keine Veranlassung gegeben, den Vertrag (frühzeitig) zu kündigen oder die Preisänderungsklausel unter Beachtung des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV einseitig anzupassen, liegt eine gravierende Störung des Äquivalenzverhältnisses vor, die nach Ansicht des BGH durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist.
Nach der sogenannten Dreijahreslösung des BGH (siehe u.a. Urteile vom 24.09.2014 - VIII ZR 350/13 und vom 26.01.2022 – VIII ZR 175/19) kann der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht mehr geltend machen, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
Fortentwicklung der Dreijahreslösung bei mehrfachen Kundenwidersprüchen
Der vom BGH nun entschiedene Fall wies die Besonderheit auf, dass der auf Rückzahlung überhöhter Wärmeentgelte klagende Kunde bereits kurze Zeit nach dem im Jahr 2010 erfolgten Abschluss des Wärmelieferungsvertrages einer aufgrund der Preisänderungsklausel erfolgten Preiserhöhung widersprochen hatte, sodann aber über nahezu acht Jahre die aufgrund der unveränderten Preisänderungsklausel erfolgten Preiserhöhungen nicht beanstandete.
Um auch in einer solchen Konstellation die Interessen beider Vertragsparteien in Ausgleich zu bringen, urteilte der BGH, dass sich ein Fernwärmekunde nur dann auf einen (frühzeitigen) Widerspruch gegen die vom Versorger erhöhten Wärmeentgelte berufen könne, wenn er spätestens bis zum Ablauf von weiteren drei Jahren ab der Erklärung des Widerspruchs bekräftigt, dass er die Preisänderungen weiterhin für unwirksam hält. Dies könne durch einen erneuten Widerspruch oder durch die (erneute) Ankündigung weiterer Zahlung nur unter Vorbehalt erfolgen.
Einordnung des Urteils
Der BGH entwickelt seine bisherige Rechtsprechung zu den Rechtsfolgen unwirksamer Preisänderungsklauseln konsequent fort. Die ausführliche Urteilsbegründung belegt das intensive Bemühen des Senats um einen angemessenen Interessenausgleich.
Häufig ist die Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel nicht offensichtlich. Auch sind Fernwärmekunden nicht verpflichtet, ihre Widersprüche gegen Preiserhöhungen zu begründen. Fernwärmeversorger sind zwar berechtigt, Preisänderungsklauseln einseitig zu ändern; die Änderungen werden durch Veröffentlichung wirksam. Dieses Recht besteht aber nur dann, wenn die bisherige Preisänderungsklausel tatsächlich - also letztlich nach rechtskräftiger gerichtlicher Feststellung – unwirksam ist. Eine (vorschnelle) Anpassung einer Preisänderungsklausel kann sich im Nachhinein als unberechtigt und damit unwirksam erweisen. Auch kann der Kunde gegen die aufgrund der geänderten Preisänderungsklausel erfolgenden Preiserhöhungen erneut Widerspruch einlegen. Damit wäre nichts gewonnen.
Reagiert der Fernwärmeversorger im Hinblick auf diese rechtlichen Risiken deshalb auf einen Kundenwiderspruch nicht mit einer Anpassung der Preisänderungsklausel, würde sich bei steigenden Kosten für die Erzeugung bzw. Beschaffung der Fernwärme und bei unterstellter Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel das Ungleichgewicht zwischen der Leistung des Fernwärmeversorgers und der Gegenleistung des Kunden zunehmend vergrößern. Könnte sich der Kunde nach einem einmal erklärten Widerspruch zeitlich unbegrenzt auf die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel berufen und damit zeitlich unbegrenzt Rückzahlungsansprüche geltend machen, führte dies zu einer unbilligen Benachteiligung des Fernwärmeversorgers. Dieser muss sich deshalb nach Treu und Glauben darauf verlassen können, dass ein Kunde keine weit zurückreichenden Rückzahlungsansprüche mehr geltend macht, wenn er Preiserhöhungen für einen längeren Zeitraum nicht mehr beanstandet.
Fernwärmekunden ist es deshalb zuzumuten, gegebenenfalls wiederholt Bedenken gegen die Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel geltend zu machen, um zeitlich unbegrenzt Rückzahlungsansprüche geltend machen zu können.
Auch im Fernwärmerecht gilt also: Wer A sagt, muss auch B sagen.