REACH: Handlungsbedarf in Bezug auf bestehende SIEF- / Konsortialverträge

Im Januar 2016 ist die REACH-Durchführungsverordnung in Kraft getreten, mit welcher der Europäische Gesetzgeber mehrere Folgeprobleme seiner Grundidee lösen wollte, mit der REACH-Verordnung eine Reihe von chemischen Erzeugnissen nur noch auf dem Europäischen Markt zuzulassen, wenn die jeweilige Substanz bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) registriert ist. Ein wesentlicher Baustein dieser Idee war die (in Art. 11 der REACH-Verordnung verbindlich niedergelegte) Vorstellung, dass mehrere Hersteller eine gemeinsame Registrierung durchführen, wenn sie den gleichen Stoff produzieren. Bekanntlich hat diese Regelung zu erheblichem Abstimmungsbedarf in der Industrie geführt, weil es – vorsichtig formuliert – nicht immer leicht ist, eine solche Produzentengemeinschaft (bekannt als „SIEF“) unter Berücksichtigung von Zeitdruck, Sprachunterschieden und nicht zuletzt dem notwendigen Schutz von Betriebsgeheimnissen zu organisieren. Lakonisch beschränkt sich die ECHA auf die Worte:

"SIEFs haben keine vorgeschriebene rechtliche Form und werden unabhängig von der Industrie verwaltet. Die ECHA ist an ihren Abläufen nicht beteiligt."

Wenig überraschend spielt in der Praxis die Frage eine erhebliche Rolle, wie die Kosten für die Registrierung verteilt werden. Dabei entsteht nicht nur Verwaltungsaufwand, sondern es müssen auch eine Reihe verschiedener Informationen über den zu registrierenden Stoff bereitgestellt werden. Wenn dazu Studien und anderes wissenschaftliche Material beschafft werden müssen, steigt der Aufwand schnell. Das wird besonders dann zu einem Problem, wenn neue Spieler den Markt für ein Produkt betreten. Nach Art. 27 der REACH-Verordnung können sie sich nämlich den vorhandenen Registranten anschließen (bzw. müssen dies, soweit Versuche an Wirbeltieren benötigt werden) und von diesen Zugang zu den Registrierungsinformationen erhalten. Das wird nun auch durch Art. 3 Abs. 1 der REACH-Durchführungsverordnung ausdrücklich angeordnet. Das daraus resultierende Thema der Kostenverteilung regelt Art. 27 Abs. 3 der REACH-Verordnung durch den optimistischen Satz, die Beteiligten

"bemühen sich nach Kräften darum, zu gewährleisten, dass die Kosten für die gemeinsame Nutzung der Informationen in gerechter, transparenter und nicht-diskriminierender Weise festgelegt werden."

Art. 2 Abs. 1 der REACH-Durchführungsverordnung versucht nun (endlich), diese Grundsätze mit Leben zu füllen, nachdem die Praxis gezeigt hat, dass es sich bei der Regelung in Art. 27 Abs. 3 der REACH-Verordnung um wenig mehr als abstrakte Worthülsen handelt. Diese Bestimmung stellt an neue Vereinbarungen über die gemeinsame Datennutzung hohe Anforderungen in Bezug auf die detaillierte Aufschlüsselung von Kosten und das gewählte Kostenteilungsmodell.

Wesentlich ist, dass diese Regelung nach ihrem Wortlaut auch Vereinbarungen betreffen soll, die bei  Inkrafttreten der REACH-Durchführungsverordnung bereits abgeschlossen waren. Das ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 der Durchführungsverordnung. Diese Norm räumt den Parteien von Bestandsvereinbarungen ein Optionsrecht ein, durch einstimmigen Beschluss von einer detaillierten Aufschlüsselung abzusehen. Regelmäßig dürfte das im Interesse aller Beteiligten liegen, so dass entsprechende Beschlüsse gefasst und dokumentiert werden sollten.

Selbst wenn ein solcher Beschluss gefasst worden ist, räumt Art. 2 Abs. 2 der REACH-Durchführungsverordnung neu hinzukommenden Herstellern das Recht ein, nachträglich eine detaillierte Kostenaufschlüsselung zu verlangen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Pflicht der Neumitglieder – sie können alternativ ihre Zustimmung zu einem bereits bestehenden Beschluss erklären. Weil die REACH-Vorschriften insoweit schweigen, dürfte es aber zulässig sein, die zusätzlichen Kosten auf den Petenten zu verlagern, die durch einen individuellen Wunsch nach genauer Kostenaufschlüsselung entstehen. Eine vorhergehende Ausübung der Verzichtsoption durch die Altmitglieder eines Konsortiums kann deshalb einen wirtschaftlichen Anreiz schaffen, vorhandene Kostenrechnungen zu akzeptieren. Besonders im Hinblick darauf, dass für die Hersteller kleiner Produktionsmengen im Jahr 2018 die Pflicht zur Registrierung „scharf“ gestellt wird (was zu einer größeren Zahl von Neumitliedern führen kann), sollten bestehende Konsortien aktiv werden.

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