Am 24.03.2021 erging die Klimaschutz-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), auf die hier im Mai 2021 bereits kurz eingegangen wurde.
Nachdem die Entscheidung mittlerweile etwa ein halbes Jahr alt ist, lohnt sich ein kurzer Blick auf einige Beispiele dafür, wie darauf juristisch reagiert wurde.
Reaktion der Gesetzgeber
Zunächst wäre auf die vergleichsweise schnelle Reaktion des Bundesgesetzgebers einzugehen. Mitte Mai 2021 wurde das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) durch die Bundesregierung angestoßen. Am 24.06.2021 erfolgte die Zustimmung des Bundestages. Die Änderung des KSG trat am 31.08.2021 in Kraft.
Zu den wesentlichen Änderungen gehört die Anhebung der Ziele zur Minderung der Treibhausgasemissionen gegenüber dem Jahr 1990. Für das Jahr 2030 wird das Minderungsziel von mindestens 55 % auf mindestens 65 % erhöht (§ 3 KSG). Ergänzt wurde für das Jahr 2040 erstmals ein Ziel von 88 %. Während zuvor für das Jahr 2050 das Bekenntnis der Bundesrepublik zur „Verfolgung“ der Treibhausgasneutralität als Grundlage des KSG a.F. festgelegt wurde, findet sich in § 3 Abs. 2 KSG nun die Regelung, dass bis zum Jahr 2045 die Treibhausgasemissionen so weit gemindert werden, dass Netto-Treibhausgasneutralität erreicht wird. Nach dem Jahr 2050 sollen sogar negative Treibhausgasemissionen erreicht werden.
In den Anlagen 2 und 3 des KSG wurden die nach Wirtschaftssektor und Jahr konkret festgelegten Jahresemissionsmengen für die Jahre 2020 bis 2030 auf das neue Ziel hin (siehe oben) angepasst. Für die Jahre 2031 bis 2040 wurden jährliche Minderungsziele in Prozent gegenüber dem Jahr 1990 auf das Ziel von 88 % hin festgelegt. Der Gesetzgeber reagiert damit insofern auf das BVerfG als dieses u.a. das bisherige Fehlen eines Reduktionspfades für die Zeit nach 2030 als verfassungswidrig erklärt hatte. Die „Übersetzung“ dieser Ziele in Jahresemissionsmengen für die einzelnen Wirtschaftssektoren soll die Bundesregierung im Jahr 2024 per Rechtsverordnung vornehmen (§ 4 Abs. 6 Satz 1 KSG). Zu den Minderungszielen für die auch nach neuer Rechtslage nicht geregelten Jahre 2041 bis 2045 soll die Bundesregierung bis spätestens 2032 einen Gesetzgebungsvorschlag vorlegen (§ 4 Abs. 1 Satz 7 KSG).
Ebenfalls reagiert hat der Gesetzgeber von NRW. Hier trat am 16.07.2021 die Neufassung des Klimaschutzgesetzes NRW in Kraft. Diese war zwar grundsätzlich schon vor der Klimaschutz-Entscheidung auf dem Weg. Vorgesehen ist nun aber auch wie beim Bundes-KSG die Treibhausgasneutralität bis 2045. Ergänzt wurden Zwischenziele für 2030 und 2040, die sich ebenfalls mit denen des Bundes-KSG decken.
Inwieweit damit die Arbeit des Gesetzgebers von NRW erst einmal getan ist und wie es um die Gesetzeslage der übrigen Bundesländer steht, ist abzuwarten. In den letzten Monaten haben junge Privatpersonen auch gegen acht Bundesländer (einschließlich NRW) Verfassungsbeschwerden vor dem BVerfG erhoben.
Diese werden u.a. damit begründet, dass es durch die angebliche Untätigkeit bzw. unzureichende Ausgestaltung vorhandener Klimaschutzgesetze der Länder zu „eingriffsähnlichen Vorwirkungen“ hinsichtlich Freiheitsrechten in der Zukunft komme. Damit stützt man sich auf einen neuen juristischen Begriff, der von der Klimaschutz-Entscheidung des BVerfG geprägt wurde.
Klagen gegen Unternehmen
Doch nicht nur die Gesetzgeber sind von der Klimaschutz-Entscheidung des BVerfG direkt oder indirekt betroffen. So gibt es etwa neue Versuche, Unternehmen auf zivilrechtlichem Wege dazu zu bewegen, ihr Geschäftsmodell emissionsärmer zu gestalten.
Begründet werden solche Forderungen etwa mit sog. quasinegatorischen Unterlassungsansprüchen in analoger Anwendung der §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1 BGB. Geschützt werden soll hierbei das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches durch ein Aufbrauchen des CO2-Budgets und zukünftig notwendig werdende staatliche Maßnahmen verletzt werden soll.
Soweit solche Einschränkungen durch staatliche Maßnahmen in der Zukunft liegen und nicht unmittelbar bevorstehen, zitiert man den Begriff der „intertemporalen Freiheitssicherung“, welchen das BVerfG ebenfalls mit seiner Klimaschutz-Entscheidung geprägt hat. Der Gedanke hinter dem Begriff ist, dass ein Handeln (oder Nichthandeln) des Gesetzgebers - das zwar in der Gegenwart noch keine Einschränkungen verursacht - in der Zukunft zu unumkehrbaren Folgen führen kann, die ihrerseits dann erhebliche Grundrechtseingriffe des Staates erforderlich machen, weshalb die zukünftige Freiheit bereits in der Gegenwart geschützt werden muss. In welchem Umfang das BVerfG diese neue, dogmatisch bisher ungewöhnliche Figur allerdings in Zukunft zur Anwendung gebracht sehen möchte und wie sich diese zivilrechtlich auf das Handeln von Unternehmen übertragen lässt, muss sich noch zeigen.
Auch zu klären sein wird etwa, inwiefern ein Unternehmen rechts- oder pflichtwidrig handelt, wenn seine Tätigkeit doch von öffentlich-rechtlichen Bestimmungen bzw. Genehmigungen gedeckt ist.
Im Zusammenhang mit der Frage nach einer möglichen Pflichtverletzung trotz Einhaltung öffentlich-rechtlicher Bestimmungen, sei auf das Urteil des Bezirksgerichts Den Haag vom 26.05.2021 verwiesen. Zu dieser Entscheidung hat unser Partner Dr. Michael Neupert im Juli bereits einen Artikel für FAZ Einspruch verfasst.
Die weitere Entwicklung in dieser Thematik ist nicht nur vorrangig für die betroffenen Konzerne interessant. Es ist durchaus denkbar, dass mit den oben genannten Argumenten, falls diese vor den Gerichten verfangen sollten, in der Zukunft versucht wird, auch kleinere Unternehmen zu einem Umbau ihres Geschäftsmodells zu zwingen. Das Thema ist daher weiter aufmerksam zu beobachten.