Rechtsmissbrauch durch eBay-„Abbruchjäger“
Rechtliche Probleme in Zusammenhang mit Auktionen auf der Internetseite von eBay beschäftigen die Gerichte seit Bestehen der Versteigerungsplattform immer wieder. In letzter Zeit stehen dabei häufig Streitigkeiten im Hinblick auf vorzeitig beendete Auktionen im Fokus. Sog. „Abbruchjäger“ bieten gezielt auf Angebote in der Hoffnung auf einen unberechtigten Abbruch der Auktion durch den Verkäufer, um diesen im Anschluss mit Schadensersatzforderungen überziehen zu können.
Mit aktuellem Urteil vom 24.08.2016 (Az.: VIII ZR 182/15) ließ der VIII. Zivilsenat des BGH nun durchblicken, dass „Abbruchjäger“ rechtsmissbräuchlich handeln und ihnen daher keine Schadensersatzansprüche gegen eBay-Verkäufer zustehen können.
Ausgangslage
Ausgangspunkt der rechtlichen Problematik ist eine Option, die der Plattformbetreiber eBay seinen Verkäufern bietet: Diese können eine einmal von ihnen gestartete Auktion grundsätzlich durch Ausfüllen eines bestimmten Formulars vorzeitig abbrechen. Der Abbruch ist nach den eBay-AGB jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet. Grob gesagt, ist ein Abbruch nur rechtmäßig (und damit gefahrlos für den Verkäufer), wenn auch nach den gesetzlichen Vorschriften ein Loslösen vom Verkaufsangebot statthaft wäre.
In Fällen des unberechtigten Abbruchs sehen die eBay-AGB hingegen vor, dass der Vertrag mit dem zum Zeitpunkt des Abbruchs Höchstbietenden – und zwar zum Bietpreis bei Abbruch, der ggf. gerade einmal 1€ betragen kann – zustande kommt. Diesen Umstand machen sich die sog. „Abbruchjäger“ zunutze: Sie suchen planmäßig und zahlreich nach Auktionen oft hochpreisiger Artikel und geben auf diese Minimalgebote ab. Bricht der Verkäufer nun unberechtigt die Auktion ab und ist der „Abbruchjäger“ zu diesem Zeitpunkt Höchstbietender, beansprucht er vom Verkäufer Erfüllung zum Bietpreis. Kann oder will der Verkäufer die Kaufsache nicht liefern, beansprucht der „Abbruchjäger“ Schadensersatz – und zwar in Höhe der Differenz zwischen Gebot und mutmaßlichem Wert des Versteigerungsobjekts.
Der aktuelle Fall und die Entscheidung des BGH
Dem geschilderten Vorgehen hat der BGH mit seiner neuesten Entscheidung nun zunächst einen Riegel vorgeschoben. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden (vereinfachten) Sachverhalt hatte der beklagte Verkäufer bei eBay zunächst eine Auktion über ein Motorrad im Wert von ca. 5.000 € eingestellt. Der Beklagte brach die Auktion fünf Minuten später – unberechtigt – ab, um die Angebotdetails zu ändern und stellte das Motorrad mit den überarbeiteten Daten erneut ein. Zum Zeitpunkt des Abbruchs hatte der Kläger als einziger Bieter einen Betrag in Höhe von 1 € geboten. Auf die erneuerte Auktion des Beklagten gab er hingegen kein Gebot ab. Nachdem das Motorrad auf Grundlage der erneuerten Auktion an einen anderen Bieter verkauft und übereignet wurde, machte der Kläger gerichtlich Schadensersatz geltend. Zuvor hatte der – weitgehend mittellose – Kläger bereits erfolglose Gebote in Höhe von über 200.000 € auf andere Artikel abgegeben und im Anschluss parallel mehrere Schadensersatzprozesse wegen unberechtigter Abbrüche angestrengt.
Das in der Vorinstanz mit der Sache betraute LG Görlitz (Urteil vom 29.07.2015 – BSG Aktenzeichen 2 S 213/14) erkannte in dem Verhalten des Klägers eine Abbruchjagd. Die Gebote des Klägers dienten ausschließlich dazu Schadensersatzansprüche zu generieren. Dies sei jedoch bei fehlender Kaufabsicht rechtsmissbräuchlich. Dass keine Kaufabsicht vorlag, schloss das Landgericht insbesondere daraus, dass der Kläger auf das erneute Auktionsangebot des Beklagten kein Gebot abgab.
Da der BGH die Revision des Klägers bereits als unzulässig ansah, hatte er über den Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs im Urteil vom 24.08.2016 nicht mehr konkret zu entscheiden. Dennoch äußerte er sich dahingehend, dass er Rechtsfehler in der Entscheidung des LG Görlitz nicht erkennen könnte und bestätigte somit indirekt die dort gefundenen Erkenntnisse.
Fazit
Die Entscheidung des BGH steht im Spannungsverhältnis der gegenseitigen Interessen der eBay-Nutzer. Die Bieter haben insbesondere ein Interesse daran, dass die Verkäufer ihre Angebote nicht folgenlos zurückziehen können, etwa weil Ihnen der gebotene Preis zu niedrig ist. Die Verkäufer hingegen suchen Schutz vor Bietern, die sich am „System eBay“ bereichern wollen, ohne überhaupt Kaufabsichten zu hegen.
Der Konflikt ist nach der neuesten Rechtsprechung des BGH nun so zu lösen, dass der Verkäufer für sein einmal erstelltes Angebot grundsätzlich verantwortlich und damit auch haftbar ist. Sprich: Zieht er das Angebot unberechtigt zurück, kann er sich schadensersatzpflichtig machen. Wegen Rechtsmissbrauchs steht „Abbruchjägern“ jedoch kein Schadensersatzanspruch zu.
Das Urteil des BGH ist begrüßenswert, da die zweckwidrige Inanspruchnahme von Rechtspositionen zu unterbinden ist. In der Praxis wird es jedoch für den Verkäufer v.a. darauf ankommen, dem Bieter und Anspruchsteller eine „Abbruchjagd“ nachzuweisen. Dies könnte insbesondere dann schwierig werden, wenn – anders als im hier dargestellten Fall – der Verkäufer die Auktion abbricht ohne sie anschließend neu zu starten.