Rechtswidrige Aussetzung von Genehmigungsverfahren für Windenergieprojekte in NRW

In Nordrhein-Westfalen wurden in jüngerer Zeit zahlreiche Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen auf Eis gelegt, um den Abschluss laufender Regionalplanverfahren abzuwarten. Grundlage hierfür ist eine neue Vorschrift im Landesplanungsgesetz NRW (LPlG), die am 12. Juni 2024 in Kraft getreten ist. Ein aktueller Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster zeigt, dass diese Praxis rechtswidrig ist.

Sachverhalt

Ein Unternehmen beantragte im September 2023 beim Kreis Soest eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Windenergieanlage in Werl. Der geplante Standort befand sich außerhalb der im Entwurf des Regionalplans ausgewiesenen vorrangigen Windenergiebereiche. Die Bezirksregierung Arnsberg wies den Kreis an, das Genehmigungsverfahren für ein Jahr auszusetzen, um das laufende Regionalplanverfahren nicht zu gefährden. Der Kreis erließ daraufhin einen Aussetzungsbescheid und ordnete dessen sofortige Vollziehung an.

Rechtsrahmen

Hintergrund der Anweisung der Bezirksregierung ist der neue § 36 Abs. 3 LPlG NRW. Danach können Bezirksregierungen in ihrer Eigenschaft als Regionalplanbehörde die zuständige Genehmigungsbehörde anweisen, ein Verfahren für bis zu ein Jahr auszusetzen, wenn die Regionalplanung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Ziel der Vorschrift ist es, eine sogenannte Übergangssteuerung bis zum Inkrafttreten der neuen Regionalpläne im Jahr 2025 zu ermöglichen, vergleichbar einer Veränderungssperre nach § 14 BauGB. Was ursprünglich als Regelung für Einzelfälle gedacht war, hat sich aber offenbar zu einer weit verbreiteten Praxis entwickelt.

Entscheidung des OVG Münster

Im Beschluss vom 26.09.2024 (Az.:22 B 727/24.AK) entschied das OVG Münster nun in einem Eilverfahren zugunsten der Windkraftprojektiererin in Werl. In seiner Entscheidung erklärte das Gericht, dass die Aussetzung des Genehmigungsverfahrens offensichtlich rechtswidrig sei. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 36 Abs. 3 LPlG NRW lägen schon nicht vor, weil die Errichtung einer einzelnen Windenergieanlage das Regionalplanverfahren weder wesentlich erschwere noch unmöglich mache.

Darüber hinaus stelle die Landesvorschrift aber auch keine taugliche Rechtsgrundlage dar, da sie gegen das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) verstoße. Die bundeseinheitliche Regelung des immissionsschutzrechtlichen Verwaltungsverfahrens sehe keine Abweichungsmöglichkeit für die Länder vor. Nach Art. 31 GG ("Bundesrecht bricht Landesrecht") wäre sie daher nichtig. Hierauf kam es im konkreten Fall mangels Vorliegen der Voraussetzungen der Landesvorschrift nicht mehr an. Wäre es darauf angekommen, hätte das OVG die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorlegen müssen, da es die die entsprechende Landesvorschrift nicht selbst für nichtig erklären kann.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung ist richtungsweisend für den Windenergieausbau während der Aufstellung der Regionalpläne in NRW. Nach Informationen des Landesverbands für Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) sind bereits über 80 Windenergieanlagen von Verfahrensaussetzungen betroffen. Derzeit sind noch 17 ähnliche Eilverfahren zu etwa 50 geplanten Windenergieanlagen beim OVG anhängig.

Die vom OVG geäußerten Bedenken zur Verfassungsgemäßheit legen in vielen Fällen nahe, gegen entsprechende Aussetzungen vorzugehen. Bei der Genehmigung einer Einzelanlage ist zudem zu erwarten, dass die Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 LPlG NRW nicht gegeben sind.