Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Whistleblowern – Zustimmung des Europäischen Parlaments

Das Europäische Parlament hat am 16.04.2019 mit überwältigender Mehrheit dem geänderten Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission zum Schutz von Whistleblowern (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden) zugestimmt. Die Änderungen gegenüber dem Vorschlag der Kommission führen zu einem deutlich stärkeren Schutz der Whistleblower (zum Vorschlag der Kommission siehe meinen Beitrag vom 11.06.2018. Deutschland und weitere EU-Staaten hatten für einen deutlich schwächeren Schutz plädiert. Im EU-Ministerrat wurde schließlich ein Kompromiss gefunden, dem das Europäische Parlament nunmehr zugestimmt hat.

Hintergrund

Der aktuelle und in der EU bestehende Hinweisgeberschutz in den Mitgliedstaaten ist fragmentiert und erstreckt sich ungleichmäßig auf die verschiedenen Politikbereiche. Aus Sicht des Europäischen Parlaments und auch der Europäischen Kommission war es notwendig und sinnvoll, einen einheitlichen politischen Rahmen zur Stärkung des Hinweisgeberschutzes auf EU-Ebene zu schaffen. Denn nur auf diese Weise können das öffentliche Interesse schwer beschädigende Skandale, wie zuletzt der Diesel-Skandal einerseits aufgedeckt, dem Hinweisgeber (Whistleblower), der häufig seine Karriere oder Lebensgrundlage riskiert, hinreichender Schutz gewährt.

Inhalt

Wie bereits der Richtlinienvorschlag der Kommission erstreckt sich der nunmehr beschlossene Änderungsvorschlag auf Verstöße gegen eine Vielzahl von Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Union, u.a. in den Bereichen öffentliches Auftragswesen, Finanzdienstleistungen, Produkt- und Verkehrssicherheit, Umweltschutz, öffentliche Gesundheit und Verbraucherschutz. Umfasst sind auch Verstöße gegen die Vorschriften des EU-Kartellrechts sowie Verstöße gegen die finanziellen Interessen der Union. In persönlicher Hinsicht erstreckt sich die Richtlinie sowohl auf dem privaten als auch dem öffentlichen Sektor, beschränkt sich aber auf Wahrnehmungen im beruflichen Kontext; Wahrnehmungen im privaten Umfeld fallen nicht unter die Richtlinie.

Die erforderlichen Mechanismen zum Schutz von Hinweisgebern sollen folgendes umfassen:

  • klare Meldekanäle innerhalb und außerhalb der Organisation, um die Vertraulichkeit zu wahren sowie ein dreigliedriges Meldesystem bestehend aus:
    • internen Meldekanälen;
    • Meldungen an die zuständigen Behörden;
    • Meldungen in der Öffentlichkeit/die Medien.
  • Anders noch als im Richtlinienvorschlag der Kommission sind nunmehr umsatzabhängig grundsätzlich alle Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten zur Einrichtung von internen Meldekanälen verpflichtet; im öffentlichen Sektor betrifft dies staatliche und regionale Verwaltungen, gemeint mit mehr als 10.000 Einwohnern und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts.
  • Entsprechend dem im Richtlinienvorschlag der Kommission vorgesehen Systems bleibt es grundsätzlich dabei, dass Hinweisgeber zunächst die zur Verfügung zu stellenden internen Meldekanäle nutzen müssen, bevor sie sich an die zuständigen Behörden oder gar an die Öffentlichkeit wenden. Hiervon abweichend darf sich der Hinweisgeber nach dem nunmehrigen Vorschlag direkt an die zuständigen Behörden wenden, sofern nicht wirksam gegen den gemeldeten Verstoß vorgegangen worden ist oder der Hinweisgeber Repressalien befürchtet. Der Hinweisgeber ist darüber hinaus berechtigt, den Verstoß öffentlich zu machen, sofern nach Nutzung der internen bzw. externen Meldekanäle keine geeigneten Abhilfemaßnahmen ergriffen wurden oder er hinreichenden Grund zu der Annahme hat, dass der Verstoß eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann (z.B. Notsituation oder Gefahr eines irreversiblen Schadens) oder er im Falle einer externen Meldung Repressalien zu befürchten oder aufgrund der besonderen Umstände des Falls geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird (z.B. durch Unterschlagung oder Vernichtung von Beweismitteln).
  • Wie schon der Vorschlag der Kommission verbietet der nunmehr beschlossene Änderungsvorschlag ausdrücklich Repressalien gegen Hinweisgeber und führt Schutzmaßnahmen ein, damit dieser nicht entlassen, degradiert, eingeschüchtert oder in anderer Weise angegriffen wird. Auch geschützt werden die Personen, die den Hinweisgeber unterstützen. Die Mitgliedstaaten müssen den Hinweisgebern umfassende und unabhängige Informationen über Berichtswege und alternative Verfahren, kostenlose Beratung sowie Rechtsbeistand während des Verfahrens zur Verfügung stellen. Während eines Gerichtsverfahrens können die Hinweisgeber auch finanzielle und psychologische Unterstützung erhalten.

Notwendige Maßnahmen auf Seiten der Unternehmen

Die Richtlinie verpflichtet insbesondere Unternehmen zur Einrichtung interner Meldekanäle. Dies geht über die bisher durch die Rechtsprechung entwickelte Verpflichtung, die im Einzelfall erforderlichen und angemessenen Compliance-Maßnahmen vorzunehmen, hinaus. Diese Verpflichtung bietet für Unternehmen aber zugleich auch die Chance, rechtzeitig interne Missstände selbst aufzuklären und möglichst rasch abzustellen, bevor die zuständigen Aufsichtsbehörden insbesondere durch potentielle Hinweisgeber Ermittlungen aufnehmen oder der Hinweisgeber sogar in rechtmäßiger Weise die Öffentlichkeit sucht.

Umsetzung in nationales Recht binnen zwei Jahren

Nach der noch erforderlichen, aber als sicher geltenden Verabschiedung durch den EU-Ministerrat haben die Mitgliedstaaten sodann zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.