Sackgasse Grunddienstbarkeit

Ich hatte mich in einem früheren Beitrag mit der Fragestellung befasst, wie man einen Zugang zu einem Grundstück optimal sichert, durch Eintragung einer Baulast, durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit oder durch die Wahl beider Instrumentarien. Im Ergebnis verlangt die Baugenehmigungsbehörde die Eintragung einer Baulast; mit der Eintragung einer Grunddienstbarkeit wird die Nutzung des fremden Grundstücks privatrechtlich geregelt. Man benötigt also beides.

Im Rahmen von Neubaumaßnahmen oder umfangreichen, genehmigungspflichtigen Umbauarbeiten auf einem Grundstück, dessen Zufahrt schon seit längerer Zeit durch die Eintragung einer Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht) gesichert ist, macht die Bauaufsichtsbehörde regelmäßig die Erteilung einer Baugenehmigung von der (zusätzlichen) Eintragung einer Baulast abhängig, um die Zufahrt zum Grundstück auf Dauer öffentlich-rechtlich zu sichern.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der berechtigte Grundstückseigentümer aus der zu seinen Gunsten eingetragenen Grunddienstbarkeit einen Anspruch gegen den Eigentümer des Nachbargrundstücks (dienenden Grundstücks) auf Zustimmung zur Eintragung einer Baulast hergeleitet kann.

Ein solcher Anspruch ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, seine Voraussetzungen sind allerdings recht streng:

Die Rechtsprechung (vgl.  BGH Urteil vom 3.7.1992, V ZR 33/91; OLG Hamm Urteil vom 8.10.2009, 5 U 75/09 und vom 7.2.2013 I-5 U 113/12, LG Essen, Urteil vom 12.1.2021, Az. 19 O 105/18) hat hierzu nachstehende Grundsätze entwickelt:

  1. Die Grunddienstbarkeit muss bestellt worden sein, um das begünstigte Grundstück baulich nutzen zu können.
  2. Die Eintragung einer Baulast ist zwingend erforderlich.
  3. Zum Zeitpunkt der Bestellung der Grunddienstbarkeit bestand kein Anlass, die Eintragung einer Baulast zu erwägen.
  4. Grunddienstbarkeit und Baulast müssen inhaltsgleich sein.
  5. Die Eintragung ist dem Eigentümer des dienenden Grundstücks zuzumuten.

Die erste Voraussetzung ist leicht zu erfüllen, denn wenn das herrschende Grundstück bereits bebaut war oder im Zusammenhang mit der Grunddienstbarkeitsbestellung eine Bauabsicht bestand, ist diesem Kriterium bereits Genüge getan.

Auch die Erfüllung der zweiten Voraussetzung dürfte keine Schwierigkeiten bereiten, da die Bauaufsichtsbehörde die Eintragung der Baulast zurecht verlangt, weil diese nicht manipulierbar bzw. einvernehmlich abänderbar ist, d.h. später von den Parteien nicht einvernehmlich aufgehoben werden kann und dadurch ein baurechtswidriger Zustand (bebautes Grundstück ohne Zufahrt) geschaffen wird.

Bei der dritten Voraussetzung tauchen dann Probleme auf, wenn die Grunddienstbarkeit nach der Änderung der LBauO NRW im Jahre 1984 bestellt wurde, weil seit diesem Zeitpunkt die Eintragung einer Baulast vorgeschrieben und die Eintragung einer Dienstbarkeit als nicht mehr ausreichend angesehen wurde.

Im Rahmen der vierten Voraussetzung ist letztlich zu prüfen, ob Grunddienstbarkeit und Baulast die gleichen Ziele, nämlich die Gewährleistung einer zulässigen Bebauung des herrschenden Grundstückes, verfolgen. Dementsprechend ist darauf abzustellen, ob bzw. dass es sich um eine sog. vorhabenbezogene Baulast handelt, der ein konkretes und zulässiges Bauvorhaben zugrunde liegt.

Die fünfte Voraussetzung fordert in letzter Konsequenz eine Abwägung zwischen den Vorteilen, die die Baulast dem Berechtigten bietet und den Nachteilen, die der Eigentümer des dienenden Grundstücks in Kauf nehmen muss. Es geht hierbei auch um die Frage, ob der Eigentümer des dienenden Grundstücks Beeinträchtigungen, die über das normale Maß dessen, was als zumutbar erwartet werden kann, hinnehmen muss. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die bau(recht)liche Zulässigkeit des Bauvorhabens abzustellen.

Die tatsächlichen Verhältnisse sind allerdings ebenso vielfältig, wie die von den Gerichten aufgestellten Kriterien auslegungsfähig sind.

Damit läuft es letztlich darauf hinaus, dass sich der Eigentümer des dienenden Grundstücks zunächst gegen die Eintragung einer Baulast zur Wehr setzen wird und dass allenfalls durch gerichtliches Urteil eine endgültige Entscheidung herbeigeführt wird. Das kann lange dauern. Die von mir zitierte (im Sinne des Berechtigten positive) Entscheidung des Landgerichtes Essen ist nach einem nahezu dreijährigen Rechtsstreit gefällt worden. Eine mündliche Verhandlung vor dem OLG Hamm steht noch aus.

Fazit: Wer in dieser Sackgasse steckt, dem bleibt letztlich nichts anderes übrig, als gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zumindest bestehen hinreichende Erfolgsaussichten, auch wenn ein Bauvorhaben erst zu einem späteren Zeitpunkt realisiert werden kann.

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