Schild oder Regenschirm?

Was einen schützt, schützt nicht alle.

Ein eindeutiger Fall

Diese Erfahrung musste ein Werkunternehmer machen, der bereits im Jahr 2009 gegen eine GmbH einen Werklohnanspruch verfolgte und letztendlich den Geschäftsführer der GmbH wegen Auszahlungen während der Insolvenzreife (und im Rahmen der Liquidation der Gesellschaft) in Anspruch nehmen wollte.

Brisant machte diesen Fall, dass der Beklagte nicht nur Geschäftsführer der GmbH selbst war, sondern auch deren Gesellschafter und Gesellschafter und Geschäftsführer der Empfängerin der Zahlung. Auch wurden diese Zahlungen zu einem Zeitpunkt getätigt, in dem sich die Gesellschaft in Liquidation befand und wohl nur ein einziger Gläubiger – nämlich der Kläger – existierte.

Problemlos wurde festgestellt, dass diese Auszahlungen nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar gewesen seien, vielmehr hätte ein Insolvenzantrag gestellt werden müssen.

Der Werkunternehmer nahm daraufhin den Geschäftsführer gemäß § 64 GmbHG in Anspruch, welcher besagt, dass die Geschäftsführer […] zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet sind, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Eigentlich klingt das erstmal eindeutig. So erkannte auch das Berufungsgericht den Anspruch an. Eigentlich müsste der Fall nach Bauchgefühl damit erledigt sein – ein Geschädigter erhält gerechterweise seinen Schaden ersetzt.

Der Wortlaut des Gesetzes

Es störte allerdings ein kleines Detail, der berühmte Wortlaut, der für Juristen manchmal der heilige Gral ist – und der auch hier das Zünglein an der Waage spielte. Der großzügige Klammereinsatz in dem obigen Zitat der Norm wird gefüllt mit den Worten "der Gesellschaft". Der BGH stellte daher auch eindeutig fest, dass § 64 S. 1GmbH gerade nicht zu einer Haftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft führe. Denn, so der BGH, es handele sich bei § 64 S. 1 GmbHG nicht um einen Deliktstatbestand, sondern um eine eigenständige Anspruchsgrundlage, welcher der Erhaltung der verteilungsfähigen Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger diene und eine zu ihrem Nachteil gehende bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger verhindern solle. Keine Rolle spielte für den BGH, dass die "Gesamtheit der Gläubiger" sich hier im Kläger vereinte. Denn der Anspruch stand nun einmal nicht "den Gläubigern" zu, sondern "der Gesellschaft".

Aber keine Sorge, ein Happy End im konkreten Fall wurde in Aussicht gestellt. So merkte der BGH an, dass wohl andere Ansprüche, die tatsächlich den Werkunternehmer schützen, in Betracht kommen.

Warum es darauf ankommt

Warum ist dann die Erkenntnis wichtig, dass es zwar einige Normen gibt, die keinen Schutz bieten – dies aber dadurch ausgeglichen wird, dass andere Normen diesen Schutz (wieder-)herstellen?

Zum einen wegen der unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen. So verlangen  allgemeinschützende Normen u.a. in der Regel keinen Nachweis eines individuellen Schadens. Gleiches gilt für bestimmte Verschuldensgrade. Es besteht also die reelle Gefahr, zu wenig Sachverhalt vorzutragen, da dieser zwar für die Erfüllung des Tatbestandes der allgemeinschützenden Norm reichen würde, nicht aber für die konkret Schutz Gewährende.

Auch können die Verjährungsvorschriften unterschiedlich sein. Gegebenenfalls ist ein Anspruch aus einer allgemeinschützenden Norm (noch) nicht verjährt, wohingegen der konkrete Anspruch sich bereits der Einrede der Verjährung ausgesetzt sieht.

Im Ergebnis ist also genau zu prüfen, ob der Anspruch hinter einem massiven Schild aus dem Stahl einer individualschützenden Norm steht – oder hinter einem grau angemalten Regenschirm.

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