Schuldbeitritt zu einem Überziehungskredit i.S.v. § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB BGH, 21.09.2021, XI ZR 650/20

Sachverhalt

Die klagende Bank hatte der Ehefrau des Beklagten, die eine Wäscherei betrieb, Kredit gewährt. Bei der Wäscherei der Ehefrau war der Beklagte angestellt war und an dieser als stiller Gesellschafter mit einer Einlage von 400.000 € beteiligt. 2012 vereinbarte die Ehefrau des Beklagten mit der klagenden Bank einen Kontokorrentkredit in Höhe von 80.000 €. Bezüglich dieses Kontokorrentkredits übernahm der Beklagte die persönliche Mitverpflichtung; eine Widerrufsinformation erhielt er nicht. Im Herbst 2015 wurde die Wäscherei insolvent. Die klagende Bank kündigte die Geschäftsverbindung mit der Darlehensnehmerin und forderte den Ausgleich des negativen Kontokorrentsaldos in Höhe von knapp 70.000,- von dem Beklagten. Der Beklagte beruft sich auf § 495 BGB.

Einführung

Zu den Allgemein-Verbraucherdarlehen (§ 491 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB) gehören neben den typischen Ratenkrediten auch eingeräumte Überziehungsmöglichkeiten gem. 504 BGB. Bei eingeräumten Verbraucher-Überziehungskrediten, die der Darlehensnehmer fristlos kündigen kann, ist das Widerrufsrecht des § 495 BGB ausgeschlossen, § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Entscheidung

Vorliegend ist das Kreditverhältnis zwischen der klagenden Bank und der insolventen Darlehensnehmerin kein Verbraucherkredit, da die Ehefrau des Beklagten den Kredit der Bank nicht als Verbraucherin, sondern in Ausübung ihrer unternehmerischen Tätigkeit aufgenommen hatte.

Beide Vorinstanzen hatten die Klage der Bank gegen den mitverpflichteten Ehemann abgewiesen. Denn dieser habe als Verbraucher gehandelt. Der Schuldbeitritt eines Verbrauchers zu einem Darlehensvertrag kann analog § 495 BGB widerrufen werden. Dass der Darlehensnehmerin – wenn sie als Verbraucherin gehandelt hätte -  gemäß §§ 495 Abs. 2 Nr.3, 504 Abs. 2 Satz 1 BGB kein Widerrufsrecht zugestanden hätte, sei unbeachtlich. Für das Widerrufsrecht komme es allein auf die Person des Schuldbeitretenden an und nicht auf die Art des Darlehensvertrages.

Das sieht der BGH anders: Zwar sei der Schuldbeitritt eines Verbrauchers einem Verbraucherdarlehen gleichzustellen, wenn es sich bei dem Vertrag, zu dem der Beitritt erklärt wird, um einen von einem Unternehmer gewährten Darlehensvertrag handelt. Das gilt auch, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen zu gewerblichen Zwecken aufgenommen hat. Das Widerrufsrecht entsprechend § 495 BGB für einen Schuldbeitritt besteht aber nur, wenn es für ein Verbraucherdarlehen, das inhaltlich dem gewerblichen Kredit entspricht, bestehen würde. Denn der Schutz des Beitretenden zu einer Verbindlichkeit können nicht geringer sein, aber auch nicht weiter gehen als der Schutz desjenigen, der eine solche Verbindlichkeit eingeht.

Da für den Kontokorrentkredit, falls er als Verbraucherdarlehen geschlossen worden wäre, das Widerrufsrecht gemäß §§ 495 Abs. 2 Nr. 3, 504 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen gewesen wäre, kann der Beklagte seine Mitverpflichtung nicht widerrufen.

Die Sache wurde zur Prüfung der weiteren Einwendungen des Beklagten zurückverwiesen.

Die Entscheidung ist rechtlich überzeugend.

Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass, falls sich der Beklagte, anstelle seiner Mitverpflichtung, für die Darlehensverbindlichkeiten des Darlehensnehmers verbürgt hätte, ein Widerrufsrecht nach BGH XI ZR 258/97 (BGHZ 138, 321) schon von vornherein ausgeschlossen gewesen wäre. Denn die Bürgschaft ist von der Mitverpflichtung rechtlich so verschieden, u.a. im Hinblick auf §§ 766, 770, 771, 776 BGB, dass die Vorschriften des Verbraucherkreditrechts für sie keine Anwendung finden. Die Begrenzung dieser Rechtsprechung auf Verbraucherbürgschaften zu gewerblichen Krediten dürfte mittlerweile überholt sein.