SEVESO-III-Richtlinie umgesetzt

Am 20.10.2016 hat der Bundestag das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen beschlossen. Damit wurde die Seveso-III-Richtlinie – mit Verspätung – in deutsches Recht umgesetzt. Daraus resultieren keine rückwirkenden Regelungen für Bestandsanlagen, aber grundlegende Neuregelungen für zukünftige störfallrelevante Errichtungs-, Betriebs- und Änderungstatbestände nach Immissionsschutzrecht und Bergrecht sowie für Vorhaben, die innerhalb des Sicherheitsabstands störfallrelevanter Vorhaben angesiedelt werden sollen:

STÖRFALLRELEVANTE ERRICHTUNGS-, BETRIEBS- UND ÄNDERUNGSTATBESTÄNDE

Störfallrelevante Errichtungs-, Betriebs- und Änderungstatbestände sind solche Errichtungs-, Betriebs- und Änderungsmaßnahmen, aus denen sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können (§ 3 Abs. 5b BImSchG neu).

ÄNDERUNG IMMISSIONSSCHUTZRECHTLICH GENEHMIGUNGSBEDÜRFTIGER ANLAGEN

Die störfallrelevante Errichtung und der Betrieb oder die störfallrelevante Änderung von Anlagen, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs sind, d.h. eines Bereichs, in dem gefährliche Stoffe i.S.d. Richtlinie 2012/18/EU vorhanden sind, erfordern eine Genehmigung im förmlichen Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung, wenn der angemessene Sicherheitsabstand zu Schutzobjekten unterschritten wird, räumlich weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird und nicht dem Gebot, einen angemessen Sicherheitsabstand zu wahren, auf vorgelagerten Planungsebenen durch verbindliche Vorgaben Rechnung getragen worden ist. Ein vereinfachtes Verfahren ist in diesen Fällen ausgeschlossen (§ 19 Abs. 4 BImSchG neu). Damit wird für die störfallrelevante Errichtung und den Betrieb ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren unabhängig von der Einstufung des Vorhabens in Anhang 1 der 4. BImSchV als „V“-Vorhaben ausgeschlossen. Für die störfallrelevante Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen wird auch in Fällen, in denen eine Änderung keine wesentliche und genehmigungsbedürftige Änderung i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 BImSchG darstellt, ein Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben (§ 16a BImSchG neu).

ERRICHTUNG, BETRIEB ODER ÄNDERUNG IMMISSIONSSCHUTZRECHTLICH NICHT GENEHMIGUNGSBEDÜRFTIGER ANLAGEN

Die störfallrelevante Errichtung und der Betrieb oder die störfallrelevante Änderung von Anlagen, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs sind und nach Maßgabe der 4. BImSchV keine genehmigungsbedürftigen Anlagen darstellen, sind der zuständigen Behörde anzuzeigen (§ 23a Abs. 1 BImSchG neu). Die Behörde prüft, ob der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten erstmalig unterschritten wird, räumlich weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird. Ist dies zu bejahen, muss ein störfallrechtliches Genehmigungsverfahren nach Maßgabe des neuen § 23b BImSchG durchgeführt werden, wenn nicht dem Gebot, einen angemessenen Sicherheitsabstand zu wahren, auf vorgelagerten Planungsebenen durch verbindliche Vorgaben Rechnung getragen worden ist. Erforderlich ist ein förmliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung.

STÖRFALLRELEVANTE ERRICHTUNG, BETRIEB ODER ÄNDERUNG BETRIEBSPLANPFLICHTIGER VORHABEN

Für die störfallrelevante Errichtung und den Betrieb oder die störfallrelevante Änderung immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs sind und eine Betriebsplanzulassung nach Bundesberggesetz erfordern, gelten §§ 23a und 23b Abs. 1, 3 u. 4 BImSchG neu nicht (§ 23c BImSchG neu). Für diese Vorhaben ist unter der Voraussetzung, dass der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten erstmalig unterschritten wird, räumlich weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird, eine Öffentlichkeitsbeteiligung im Betriebsplanzulassungsverfahren durchzuführen (§ 57d BBergG neu). Davon erfasst werden sollen insbesondere Untergrundspeicher.

BENACHBARTE SCHUTZOBJEKTE

Benachbarte Schutzobjekte, die im immissionsschutzrechtlichen bzw. im bergrechtlichen Zulassungsverfahren bei Unterschreitung des angemessenen Sicherheitsabstands zukünftig besonders in den Blick zu nehmen sind, sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebäude, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, Hauptverkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete (§ 3 Abs. 5d) BImSchG neu).

Derartige Schutzobjekte erfordern, wie dargelegt, bei Errichtung und Betrieb von störfallrelevanten Anlagen und störfallrelevanten Änderungen zukünftig zwingend ein förmliches Zulassungsverfahren für Errichtung und Betrieb oder Änderung störfallrelevanter Anlagen.

Resultieren Veränderungen nicht aus Errichtung, Betrieb oder Änderung störfallrelevanter Vorhaben, sondern aus den Schutzobjekten selbst, indem solche in den Abstandsbereich zu einer störfallrelevanten Anlage hineinrücken, kann daraus eine UVP-Pflicht des Schutzobjekts resultieren. Ist für das Schutzobjekt eine allgemeine Vorprüfung nach Maßgabe des § 3b Abs. 1 i.V.m. Anlage 1 des UVPG durchzuführen, ist das Störfallrisiko in der Vorprüfung zu berücksichtigen. Eine UVP ist durchzuführen, wenn die Vorprüfung ergibt, dass aufgrund Verwirklichung des Schutzobjekts innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands zu einem Störfallbetrieb die Möglichkeit besteht, dass ein Störfall eintritt, sich die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Störfalls vergrößert oder sich die Folgen eines Störfalls verschlimmern können (§ 3d UVPG neu).

ANGEMESSENER SICHERHEITSABSTAND

Der angemessene Sicherheitsabstand bestimmt sich nach der gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das jeweilige benachbarte Schutzobjekt (§ 3 Abs. 5c BImSchG neu). Welcher Sicherheitsabstand das konkret im jeweiligen Einzelfall ist, regelt das Gesetz nicht. Dies soll zukünftig durch eine Verwaltungsvorschrift (TA Abstand) geregelt werden; die Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 S. 1 BImSchG wurde zur Klarstellung um eine neue Nummer 6 ergänzt.

RECHTSSCHUTZ

Der Rechtsschutz des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes wird auf die immissionsschutzrechtliche Genehmigung störfallrelevanter Vorhaben, soweit diese als UVP-pflichtige oder dem förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren unterliegende Vorhaben nicht ohnehin bereits dem Gesetz unterworfen sind, auf Betriebsplanzulassungen störfallrelevanter Vorhaben und auch auf die landesrechtliche Genehmigung von Schutzobjekten innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands ausgedehnt (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a u. 2b UmwRG neu).

Autorin

  • Öffentliches Wirtschaftsrecht
  • Umwelt- und Planungsrecht