Software-Lizenzbedingungen: Schnitzeljagd für Fortgeschrittene

Wer sich jemals dem zweifelhaften Spaß gewidmet hat, Lizenzbedingungen großer amerikanischer Softwarehersteller zu durchdringen, weiß wovon die Rede ist: Allein die maßgeblichen Bestimmungen in -zig Seiten zu finden, gleicht einer Schnitzeljagd für Fortgeschrittene.

Beispiel Oracle

Die in der Praxis anzutreffenden Lizenzmodelle sind mannigfaltig. Der Hersteller Oracle beispielsweise wartet allein im Abschnitt der Lizenzmetriken mit über 100 Definitionen auf! Dass man dabei schon einmal selbst den Überblick verlieren kann, kann dabei kaum verwundern. Unlösbare Konflikte mit dem AGB-rechtlichen Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) sind vorprogrammiert.

Wer beispielsweise eine Prozessor-Lizenz für die Oracle-Datenbank „Oracle Database Standard Edition 2“ erwerben möchte, sieht sich folgenden Restriktionen ausgesetzt:

„Oracle Database Standard Edition 2 darf nur auf Servern mit einer Kapazität von maximal 2 Sockets lizenziert werden.“

Was ist ein Server?

Der Jurist fragt sich also zunächst, was ein „Server“ ist. Dieser ist bei Oracle wie folgt definiert:

„Server bezeichnet den Computer, auf dem die Programme installiert sind.“

Damit geht die Suche weiter, denn auch der Begriff „Computer“ erfährt eine Definition, wenn auch keine sonderlich weiterführende:

„Computer bezeichnet den Rechner, auf dem die Programme installiert sind.“

Ein Server ist also ein Computer. Das leuchtet ein. Nun stellt sich also die Frage, was ein Server mit einer Kapazität von maximal 2 „Sockets“ ist. Auch dazu findet sich eine Definition:

„Socket bezeichnet einen Slot für einen Chip (oder ein Mehrchip-Modul) mit mindestens einem Kern. Unabhängig von der Anzahl an Kernen wird jeder Chip (bzw. jedes Mehrchip-Modul) als einzelner Socket gezählt.“

Eigentlich spannende Fragen bleiben offen

Die eigentlich spannenden Begriffe „Slot“, „Chip“ und „Mehrchip-Modul“ werden leider in den Lizenzbedingungen nicht weiter erläutert. Dazu braucht es technischen Sachverstand: Üblicherweise ist ein „Slot“ ein Steckplatz für den Anschluss von Komponenten. Ein „Chip“ ist herkömmlich ein integrierter Schaltkreis, der in einem Gehäuse untergebracht ist. In einem Chip können wiederum mehrere Prozessorkerne untergebracht sein. Ein „Mehrchip-Modul“ ist demnach ein Modul, in dem mehrere Chips vereint sind.

Damit darf der Server maximal zwei Steckplätze aufweisen, in die entweder zwei Chips oder zwei Mehrchip-Module eingesteckt werden können. Oder doch nicht?

„Mehrchip-Modul“ oder „Modul mit mehreren Chips“?

Denn nun wird es endgültig verwirrend. In der Definition des „Prozessors“ wartet Oracle mit Folgendem auf:

„Bei der Lizenzierung von Oracle Programmen mit Standard Edition 2 […] im Produktnamen […] wird ein Prozessor mit einem belegten Socket gleichgesetzt; bei Modulen mit mehreren Chips hingegen wird jeder Chip mit einem belegten Socket gleichgesetzt.“

Moment – war nicht eben ein „Socket“ eine Schnittstelle zur Aufnahme eines „Mehrchip-Moduls“? Nun soll plötzlich bei einem „Modul mit mehreren Chips“ (Ist das etwas anderes als ein „Mehrchip-Modul“?) jeder Chip als belegter „Socket“ zählen. Was gilt denn nun?

Ratschlag aus der „Steinzeit“

Das schnöde Bürgerliche Gesetzbuch – im Vergleich zur High-Tech des Hauses Oracle geradezu ein Relikt aus der Steinzeit – weiß Rat, und zwar in Form von § 305c Abs. 2 BGB. Letztes Zitat:

„Zweifel bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.“

Alles klar? Alles klar. Das nächste Oracle-Lizenzaudit kann kommen…

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