Sozialversicherungsrechtlicher Status des GmbH-Geschäftsführers

Ob die Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer der Sozialversicherungspflicht unterliegt, beschäftigt die deutsche Sozialgerichtsbarkeit seit Jahren. Diese Frage ist für die GmbH nicht zuletzt deswegen von erheblicher Bedeutung, weil im Falle der Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung nicht nur für die Zukunft erhoben werden, sondern auch für die letzten 4 Jahre der Beschäftigung rückwirkend nachzuzahlen sind. Dementsprechend können schnell erhebliche Nachzahlungen auf die GmbH zukommen. In vielen Fällen wird es daher ratsam sein, frühzeitig ein sog. Statusfeststellungsverfahren einzuleiten, das die Frage, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, für die Beteiligten verbindlich klärt.

Zwei jüngst veröffentlichte Entscheidungen des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg (Urteile vom 18.10.2016, Az.: L 11 R 1032/16 und vom 23.11.2016, Az.: L 5 R 50/16) bieten eine gute Gelegenheit, den aktuellen Stand der Rechtsprechung zum sozialversicherungsrechtlichen Status von GmbH-Geschäftsführern zu rekapitulieren.

WORUM GING ES?
Im ersten Fall (Urteil vom 18.10.2016, Az.: L 11 R 1032/16) war der betreffende Geschäftsführer zugleich mit 12 % am Stammkapital der GmbH beteiligt. Er erhielt ein monatliches Festgehalt von 600,00 EUR, übte die Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer nach dem Anstellungsvertrag als Nebentätigkeit aus und konnte seine Arbeitszeit im Rahmen der betrieblichen Erfordernisse frei und eigenverantwortlich gestalten. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung wurden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, einzelne Beschlüsse, unter anderem über die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern bedurften einer ¾-Mehrheit.

Im zweiten Fall (Urteil vom 23.11.2016, Az.: L 5 R 50/16) war der Geschäftsführer nach den Bestimmungen des Geschäftsführeranstellungsvertrags hinsichtlich des Zeitpunkts, der Dauer, des Umfangs und des Ortes seiner Tätigkeit weisungsfrei und übte gegenüber den Angestellten der GmbH die Rechte des Arbeitgebers aus. An bestimmte Arbeitszeiten war er nicht gebunden. Der Geschäftsführeranstellungsvertrag konnte von der GmbH nur aus wichtigem Grund aufgelöst werden, eine ordentliche Kündigung war ausgeschlossen. Entsprechendes galt für die Abberufung des Geschäftsführers. Der Geschäftsführer konnte die Höhe seines Fixgehalts maßgeblich mitbestimmen, so durfte sein Gehalt einen von ihm vorgegebenen Mindestbetrag nicht unterschreiten. Weiterhin war der Geschäftsführer am Gewinn der GmbH beteiligt. Darüber hinaus konnte er über die Dauer und die Lage seines Urlaubs frei bestimmen. Schließlich war der Geschäftsführer auch in Höhe von 20 % an der alleinigen Gesellschafterin der GmbH, einer Holding-GmbH, beteiligt. Gemäß dem Gesellschaftsvertrag der Holding-GmbH konnten einzelne Gesellschafterbeschlüsse nur einstimmig gefasst werden. Hierunter fielen unter anderem die Auflösung der Gesellschaft und der Abschluss und die Änderung von Geschäftsführeranstellungsverträgen und die Erteilung von Weisungen an Geschäftsführer, auch soweit diese sich auf Tochtergesellschaften bezogen.

In beiden Fällen stellten die Beteiligten bei der Deutsche Rentenversicherung Bund einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des jeweiligen Geschäftsführers, wobei jeweils festgestellt werden sollte, dass kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Da die Deutsche Rentenversicherung Bund jedoch jeweils ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis feststellte, verfolgten die Beteiligten ihr Begehren mit einer Klage gegen den jeweiligen Bescheid weiter.

WAS SIND DIE KRITERIEN DER RECHTSPRECHUNG ZUR PRÜFUNG DES SOZIALVERSICHERUNGSRECHTLICHEN STATUS?
Ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung abführen müssen, entscheidet sich danach, ob ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV vorliegt. Hiernach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Hingegen ist nach dieser Rechtsprechung eine selbständige Tätigkeit primär durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Verwaltung und Gerichte nehmen die Abgrenzung von Beschäftigung und Selbständigkeit regelmäßig in drei Schritten vor. Zunächst stellen sie den konkreten Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarung(en) fest. Auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen nehmen sie sodann eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder der selbständigen Tätigkeit vor. In einem letzten Schritt prüfen sie, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung rechtfertigt.

Der sozialversicherungsrechtliche Status eines GmbH-Geschäftsführers ist allerdings nicht alleine anhand dieser grundlegenden Kriterien zu beurteilen, vielmehr ist darüber hinaus noch zu berücksichtigen, ob und mit welchem Anteil der Geschäftsführer am Stammkapital der GmbH beteiligt ist. Bei Fremdgeschäftsführern, also Geschäftsführern, die nicht am Stammkapital der GmbH beteiligt sind, geht das BSG regelmäßig von einer abhängigen Beschäftigung aus, wohingegen bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer die Geschäftsführertätigkeit auch selbständiger Natur sein kann. Von einer selbständigen Tätigkeit ist bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer auszugehen, wenn dieser aufgrund seiner Gesellschafterstellung wesentlichen rechtlichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH ausüben kann. Hierfür ist es notwendig, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit jederzeit verhindern und so die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit des Arbeitnehmers von einem Arbeitgeber vermeiden kann. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer mindestens über die Hälfte des Stammkapitals der GmbH verfügt. Wenn sein Anteil am Stammkapital geringer ist, kommt es entscheidend darauf an, ob die Rechtsmacht des Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH aus anderen Gründen der Rechtsmacht eines Mehrheitsgesellschafters entspricht und ihn in die Lage versetzt, ihm nicht genehme Einzelanweisungen der Gesellschafterversammlung im Bedarfsfall zu verhindern. Dies ist in der Vergangenheit etwa bei Vorliegen einer sog. Sperrminorität zugunsten des Gesellschafter-Geschäftsführers bejaht worden, also einer Fallgestaltung, in der Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH bestimmte Mehrheitserfordernisse voraussetzen (z.B. 80 % der abgegebenen Stimmen), und der Geschäftsführer am Stammkapital der GmbH mit einer Minderheitsbeteiligung beteiligt ist (z.B. mit 25 %), die dafür Sorge trägt, dass Beschlüsse ohne seine Mitwirkung nicht zustande kommen.

WIE WURDE KONKRET ENTSCHIEDEN?
Im ersten Fall entschied das LSG Baden-Württemberg, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Auch wenn nach den vertraglichen Regelungen mehr für eine selbständige Tätigkeit als für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche (insbesondere die freie Gestaltbarkeit der Arbeitszeit), könne der Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung nicht verhindern. Denn mit seiner Beteiligung am Stammkapital der GmbH von 12 % komme dem Geschäftsführer keine Sperrminorität zu, weil Gesellschafterbeschlüsse entweder mit einfacher oder jedenfalls mit einer ¾-Mehrheit gefasst werden können. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass dem Geschäftsführer seit Beginn seiner Tätigkeit keine Weisungen der Gesellschafterversammlung erteilt worden sind, denn es reiche bereits die entsprechende Macht, solche Weisungen zu erteilen, von der etwa im Fall eines Zerwürfnisses Gebrauch gemacht werden könnte.

Anders entschied das LSG Baden-Württemberg hingegen im zweiten Fall: Hier ging das LSG Baden-Württemberg von einer selbständigen Tätigkeit aus, denn dem Geschäftsführer war mit seiner Beteiligung am Stammkapital der Holding-GmbH eine Sperrminorität eingeräumt, weil beispielsweise Weisungen der Gesellschafterversammlung nur einstimmig beschlossen werden konnten. Auch der Umstand, dass der Geschäftsführer über eine weitreichende Rechtsmacht verfügte, seine eigene Abberufung und Entlassung zu verhindern (Abberufung und Entlassung setzten das Vorliegen eines Grundes voraus), sprach nach Ansicht des LSG Baden-Württemberg für eine selbständige Tätigkeit.

FAZIT
Die beiden Entscheidungen des LSG Baden-Württemberg zeigen exemplarisch, welch große Sorgfalt an den Entwurf von Geschäftsführeranstellungsvertrag, GmbH-Gesellschaftsvertrag und sonstigen Abreden (wie etwa einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung) anzulegen ist, um zu verhindern, dass die Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig ist. Als Faustformel lässt sich dabei festhalten. Ohne eine Beteiligung des GmbH-Geschäftsführers am Stammkapital der GmbH, die es ihm erlaubt, Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern, wird in aller Regel ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegen.

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