Stundenlohnabrechnung: Die Grenzen der sekundären Beweislast liegen weiterhin im Nebel

Mit dem grundlegenden Urteil vom 17. April 2009 – VII ZR 164/07 – hat der BGH bei der Abrechnung von Stundenlöhnen die sekundäre Beweislast des Auftragnehmers erfunden. Seit dem verfangen sich Baupraxis und Instanzrechtsprechung in ihren nebulösen Anforderungen. Auch die jüngste Entscheidung des BGH (Beschluss vom 5. Januar 2017 – VII ZR 184/14 –) bringt nur begrenzt Klarheit.

HINTERGRUND
Bis zum Urteil des BGH vom 17. April 2009 war gesicherte Erkenntnis, dass der Auftragnehmer, der eine Stundenlohnvergütung verlangt, auch die Wirtschaftlichkeit seiner Handlung beweisen muss. Der Honoraranspruch war also durch das Gebot der Wirtschaftlichkeit von vornherein begrenzt.

Diese Grundsätze hat der BGH im damaligen Revisionsverfahren, an dem ich selbst beteiligt war, beseitigt. Nunmehr begeht der Auftragnehmer, der die Stundenlohnabrede zum „Stundenkloppen“ missbraucht, eine Pflichtverletzung. Aus dieser ist er dem Auftraggeber gemäß § 280 Abs. 1 BGB zwar schadenersatzpflichtig. Den Umfang seines Schadenersatzanspruchs muss nun aber der Auftraggeber beweisen. Dies bedeutet auch, dass seitdem der Auftraggeber eine unwirtschaftliche Leistungserbringung nachweisen muss.

Der BGH hatte schon damals durchaus erkannt, dass er mit diesem Paradigmenwechsel den Auftraggeber vor kaum lösbare Schwierigkeiten stellt. In aller Regel ist er ja bei der Leistungserbringung nicht dabei. Wie soll er dann nachweisen, dass unnötig Stunden aufgewandt worden sind?

Zur scheinbaren Lösung hat der BGH die sekundäre Beweislast des Auftragnehmers erfunden. Dieser muss bei entsprechendem Bestreiten des Auftraggebers zur Begründung des Stundenhonorars genügend Tatsachen vortragen, aus denen heraus der Auftraggeber die Wirtschaftlichkeit der Auftragsausführung beurteilen kann. Geklärt ist damit nichts. Seit dem wird zwischen den Baubeteiligten darum gestritten, wer in welchem Umfang die sekundäre Beweislast trägt und ihr genügt.

SACHVERHALT
So auch in der aktuellen Entscheidung des BGH – VII ZR 184/14 –.

Auf der Grundlage eines BGB-Werkvertrages hat der Auftragnehmer Ausbauleistungen an einem sogenannten Motorhome für den Auftraggeber, einen Formel 1-Rennstall, erbracht. Dieser hat den Werkvertrag gekündigt. Der Auftragnehmer klagt seine vereinbarte Stundenvergütung für die bis zur Kündigung erbrachte Leistung ein. Der Auftraggeber bestreitet unter anderem die Wirtschaftlichkeit.

ENTSCHEIDUNG DES BGH
Nachdem das LG der Klage stattgegeben und das OLG sie abgewiesen hat, hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurück an das OLG verwiesen.

Zur Beweislast hat der BGH wiederholt, dass der Aufragnehmer bei einer Stundenlohnvereinbarung nur die Stundenanzahl, den Stundensatz und im Groben die erbrachte Tätigkeit darlegen muss. Eine Zuordnung zu konkretisierten Einzeltätigkeiten sei nicht erforderlich.

In dem vom BGH entschiedenen Fall hat der BGH dem Auftragnehmer auch keine sekundäre Beweislast auferlegt. Der Auftraggeber habe selbst die Leistungsausführung überwachen und den Leistungsumfang feststellen können. Die Sache wurde nur wegen einer nachzuholenden Beweisaufnahme an das OLG zurückverwiesen. Ansonsten hätte der BGH der Klage wohl stattgegeben.

PRAXISHINWEISE
Auf VOB-Bauverträge ist diese Rechtsprechung wohl nicht ohne Weiteres zu übertragen. Die Parteien aller übrigen BGB-Verträge – es gibt keinen Grund, die Entscheidung des BGH nur auf Werkverträge zu beschränken – müssen sich auf die zu Gunsten des Auftragnehmers deutlich gelockerten Abrechnungsvoraussetzungen einstellen.

Für Auftragnehmer besteht naturgemäß kein Handlungsbedarf. Auftraggeber, die an den bisherigen Abrechnungsvoraussetzungen festhalten wollen, müssen vertragliche Vorkehrung treffen.