Mit Urteil vom 16.07.2019 (Az.: II ZR 175/18) hat der Bundesgerichtshof (BGH) – die in Rechtsprechung und Literatur bislang umstrittene Frage – entschieden, dass Teilgewinnabführungsverträge mit einer GmbH als abführungspflichtiger Gesellschaft grundsätzlich keinen besonderen Wirksamkeitsvoraussetzungen unterliegen. Außerdem stellt der BGH klar, dass der Formwechsel einer zur Teilgewinnabführung verpflichteten GmbH in die Rechtsform einer Aktiengesellschaft den Fortbestand eines zuvor wirksam abgeschlossenen Teilgewinnabführungsvertrages nicht berührt.
Die amtlichen Leitsätze der aktuellen Entscheidung lauten wie folgt:
Teilgewinnabführungsverträge mit einer GmbH als abführungspflichtiger Gesellschaft unterliegen keinen besonderen Wirksamkeitsanforderungen, wenn sie keine satzungsüberlagernde Wirkung haben. Ob dies auch dann gilt, wenn ein Großteil oder zumindest überwiegender Anteil der Gewinne abzuführen ist, lässt der Senat offen.
Erhält eine zur Teilgewinnabführung verpflichtete GmbH durch Formwechsel die Rechtsform einer Aktiengesellschaft, berührt dies den Fortbestand eines zuvor wirksam abgeschlossenen Teilgewinnabführungsvertrags nicht. Der Teilgewinnabführungsvertrag ist infolge des Formwechsels gemäß § 294 Abs. 1 AktG zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Parteien des Teilgewinnabführungsvertrags sind aus dem bestehenden Vertragsverhältnis wechselseitig verpflichtet, die Eintragung herbeizuführen.
Worum ging es (vereinfacht)?
Die Beklagte wurde als GmbH gegründet und übernahm von der Klägerin verschiedene Wirtschaftsgüter zur landwirtschaftlichen Produktion. Der Geschäftsführer der Beklagten gab am 05.10.1992 unter anderem die folgende Erklärung ab:
„Die GmbH [Beklagte] verpflichtet sich, seinen Jahresüberschuss in Höhe von bis zu 20 % an das Unternehmen [Klägerin] abzuführen.
Sofern neben dem Unternehmen [Klägerin] und dessen Gesellschaftern auch Dritte am Gesellschaftskapital der GmbH beteiligt sind oder werden, ermäßigt sich der zu ermittelnde Betrag um den Prozentsatz der Kapitalanteile, den diese Dritte am Gesamtkapital der GmbH [Beklagten] halten.“
Die Gesellschafterversammlung der Beklagten stimmte der Erklärung, welche bislang nicht im Handelsregister eingetragen wurde, am 12.01.1994 einstimmig zu. Am 26.01.2016 wurde die Umwandlung der Beklagten in eine Aktiengesellschaft in das Handelsregister eingetragen.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Abführung anteiliger Jahresüberschüsse in Höhe von 35.972,22 € für das Jahr 2010 und in Höhe von 17.021,96 € für das Jahr 2011. Die Beklagte begehrt mit ihrer Widerklage unter anderem die Feststellung, dass die Vereinbarung vom 05.10.1992 von Anfang an bzw. hilfsweise, dass sie durch die Eintragung der Umwandlung der Beklagten in eine Aktiengesellschaft am 26.01.2016 unwirksam geworden sei.
Die Entscheidung des BGH
Die Vereinbarung vom 05.10.1992 ist laut dem BGH wirksam.
Dabei geht der BGH zunächst davon aus, dass die Vereinbarung ihrem Inhalt nach auf eine Teilgewinnabführung im Sinne von § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG gerichtet war. Hierfür genüge vorbehaltlich der in § 292 Abs. 2 AktG genannten Ausnahmen unabhängig von der weiteren rechtlichen Einkleidung jede Abrede, nach der der Unternehmensgewinn teilweise abzuführen ist.
Der wirksame Abschluss der Vereinbarung sei jedoch nicht von der Einhaltung der Schriftform, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Beklagten durch notariell beurkundeten Beschluss und einer Eintragung in das Handelsregister abhängig gewesen.
Nach der Rechtsprechung des Senats seien zwar auf Unternehmensverträge im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG, die zwischen zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung abgeschlossen werden, die bei einer Änderung des Gesellschaftsvertrags geltenden Formvorschriften (§§ 53, 54 GmbHG) entsprechend anzuwenden, weil der durch einen Unternehmensvertrag bewirkte Eingriff in den Gesellschaftszweck, die Zuständigkeitskompetenz der Gesellschafter und ihr Gewinnbezugsrecht satzungsgleich die rechtliche Grundstruktur der sich der Beherrschung unterstellenden GmbH ändere und ihm auch eine einer Satzungsänderung entsprechende Bedeutung zukomme. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Unternehmensvertrags folge daraus, dass die materielle Wirksamkeit des Vertrags von der Einhaltung der Schriftform für den Unternehmensvertrag, der notariellen Beurkundung des Zustimmungsbeschlusses entsprechend § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG und der Eintragung von Zustimmungsbeschluss und Unternehmensvertrag in das Handelsregister entsprechend § 54 Abs. 1 Satz 1 GmbHG abhängig sei.
Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob diese materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen auch für Teilgewinnabführungsverträge nach § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG gelten, die mit einer GmbH als abführungspflichtiger Gesellschaft abgeschlossen werden, hat der BGH nunmehr jedoch verneint, sofern die Teilgewinnabführungsverträge keine satzungsüberlagernde Wirkung haben.
Entgegen einer in der juristischen Kommentarliteratur vertretenen Auffassung sei laut dem BGH die entsprechende Anwendung der für Satzungsänderungen geltenden Vorschriften des GmbHG auf Teilgewinnabführungsverträge, die mit einer GmbH als abführungspflichtiger Gesellschaft geschlossen werden, nicht deswegen stets angezeigt, weil die Pflicht zur Abführung eines Gewinnanteils in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter (§ 29 GmbHG) und die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung zur Entscheidung über die Ergebnisverwendung (§ 46 Nr. 1 GmbHG) eingreife. Der Abschluss eines Teilgewinnabführungsvertrags habe nicht notwendigerweise satzungsüberlagernde Wirkung, sondern begründe in erster Linie schuldrechtliche Ansprüche des Berechtigten. Bei außerhalb des Mitgliedschaftsverhältnisses zu den Gesellschaftern versprochenen gewinn- bzw. ergebnisabhängigen Zahlungen handele es sich nicht um eine Gewinnverteilung im Sinne des § 29 GmbHG, sondern um Geschäftsunkosten, die – wie andere Verbindlichkeiten auch – den verteilungsfähigen (Rein-)Gewinn der Gesellschaft mindern würden. § 29 GmbHG unterstelle nur das Gewinnstammrecht, also das allgemeine Recht der Gesellschafter auf Teilhabe an den periodischen Ergebnissen der Gesellschaft, dem Satzungsvorbehalt. Das Gewinnstammrecht sei – neben dem Anspruch auf den Liquidationserlös (§ 72 GmbHG) – wichtigster vermögensrechtlicher Bestandteil der Mitgliedschaft, umfasse aber nur den mitgliedschaftlichen Anspruch auf eine dem Geschäftsanteil entsprechende Teilhabe am Reingewinn der Gesellschaft.
Auch die Anwendung der aktienrechtlichen Wirksamkeitserfordernisse für den Abschluss von Teilgewinnabführungsverträgen gemäß § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG sei nicht geboten. Der Schutzzweck dieser für die Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) geltenden Vorschriften treffe auf die abführungspflichtige GmbH nicht gleichermaßen zu. Die Gründe, die bei der Aktiengesellschaft und der KGaA dafür sprechen, den Abschluss eines Teilgewinnabführungsvertrags der alleinigen Kompetenz des Vorstands zu entziehen, seien auf die GmbH nicht übertragbar. Anders als im Aktienrecht, das in den §§ 76 ff. und §§ 111 ff. AktG klare Kompetenzabgrenzungen hinsichtlich der Wahrnehmung der Leitungs- und der Überwachungsaufgaben der Gesellschaft enthalte, auf die die Aktionäre in sehr beschränktem Maße Einfluss nehmen können, seien die Gesellschafter in der GmbH das zentrale Entscheidungsorgan, das in der Gesellschafterversammlung die für die Geschicke der Gesellschaft wesentlichen Entscheidungen treffe und durch Weisungen an die Geschäftsführer (§ 37 GmbHG) umsetzen könne. Die Gesellschafter der GmbH könnten damit jede Maßnahme der Geschäftsführung an sich ziehen. Bei besonders bedeutsamen Geschäften sei der Geschäftsführer verpflichtet, die Zustimmung der Gesellschafterversammlung von sich aus einzuholen, § 49 Abs. 2 GmbHG. Es bedürfe daher anders als bei der Aktiengesellschaft nicht des zusätzlichen Schutzes der Gesellschafter durch die Begrenzung der Leitungskompetenz der Organe bei Abschluss eines Teilgewinnabführungsvertrages durch die analoge Anwendung der in §§ 291 ff. AktG bestimmten Wirksamkeitserfordernisse. Auch bestehe nicht in gleicher Weise wie bei der Aktiengesellschaft das Bedürfnis, Vereinbarungen, die die Verwendung des Geschäftsergebnisses betreffen, der Registerpublizität zu unterstellen.
Ob einem Teilgewinnabführungsvertrag satzungsüberlagernde Wirkung zukomme, sei im Einzelfall unter Berücksichtigung der dem Berechtigten eingeräumten Rechtsstellung zu würdigen. Dies sei jedenfalls bezüglich der Vereinbarung vom 05.10.1992 zu verneinen.
Im Hinblick auf die Umwandlung der Beklagten in eine Aktiengesellschaft führt der BGH aus, dass infolge des Formwechsels der Rechtsträger in der durch den Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter bestehe, § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Er bleibe Inhaber des Vermögens mit allen Rechten und Pflichten. Verträge – auch Unternehmensverträge – bestünden mit dem Rechtsträger in der geänderten Rechtsform unter Anwendung der für diesen geltenden Normen unverändert weiter, es sei denn, das Vertragsverhältnis sei mit der Rechtsform der verpflichteten Gesellschaft nicht vereinbar. Bei einem Wechsel in die Rechtsform einer Aktiengesellschaft könne daher auch ein Teilgewinnabführungsvertrag nach Maßgabe der §§ 292 ff. AktG fortbestehen. Die fehlende Eintragung des Unternehmensvertrags in das Handelsregister führe nicht zur Beendigung eines wirksam geschlossenen Teilgewinnabführungsvertrags, weil diese Eintragung zwar nach § 294 Abs. 1 Satz 1 AktG geboten sei, ihr aber nur deklaratorische Bedeutung zukomme. Die Parteien des Teilgewinnabführungsvertrags seien aus dem wirksam begründeten Vertragsverhältnis heraus verpflichtet, die Eintragung herbeizuführen.
Die Bedeutung für die Praxis
Entgegen beachtlichen Stimmen in der juristischen Kommentarliteratur unterwirft der BGH Teilgewinnabführungsverträge mit einer GmbH als abführungspflichtiger Gesellschaft im Grundsatz nicht den Voraussetzungen der §§ 53, 54 GmbHG. Damit können Teilgewinnabführungsverträge – im Gegensatz zu anderen Unternehmensverträgen im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG, die zwischen zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung abgeschlossen werden – regelmäßig auch ohne Einhaltung der Schriftform, ohne notariell beurkundeten Zustimmungsbeschluss und ohne Eintragung von Unternehmensvertrag und Zustimmungsbeschluss in das Handelsregister wirksam vereinbart werden.
Ausdrücklich offen lässt der BGH in seiner Entscheidung aber, ob dies auch dann gilt, wenn ein Großteil oder zumindest überwiegender Anteil der Gewinne abzuführen ist. Dies brauchte der BGH nicht zu entscheiden, da es in dem vorliegenden Rechtsstreit um die Abführung von nur bis zu 20 % des Jahresüberschusses der Beklagten ging.
Daher ist beim Abschluss von Unternehmensverträgen, nach denen mehr als 50 % der Gewinne abzuführen sind, auch weiterhin zu empfehlen, die strengen Voraussetzungen der §§ 53, 54 GmbHG zu beachten. Andernfalls kann die Wirksamkeit der Unternehmensverträge nicht gewährleistet werden.