Treuepflicht beschränkt actio pro socio

In einem aktuellen Versäumnisurteil vom 22.01.2019 (Az.: II ZR 143/17) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein Vorgehen im Wege der actio pro socio durch die Grundsätze der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht beschränkt ist und sich daher unter bestimmten Voraussetzungen als rechtsmissbräuchlich darstellen kann.

Die amtlichen Leitsätze der Entscheidung lauten wie folgt:

a) Das Recht des einzelnen Gesellschafters, im Wege der actio pro socio gegen einen Mitgesellschafter vorzugehen, ist beschränkt durch die Grundsätze der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und kann sich unter diesem Blickwinkel nach den konkreten Gesellschaftsverhältnissen, zu denen auch das Verhalten des sich auf die Befugnis berufenden Gesellschafters gehört, als rechtsmissbräuchlich darstellen

b) Die eigene zeitgleiche Klagerhebung eines Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft zusammen mit der Gesellschaft gegen einen Mitgesellschafter, die lediglich die Kosten der Durchsetzung der Sozialverpflichtung erhöht, kann gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen.

Worum ging es?

Die Klägerin zu 1 ist eine Kommanditgesellschaft. Die Klägerin zu 2 und die Beklagte sind Kommanditisten der Klägerin zu 1.

Mit einer im Oktober 2012 von sämtlichen Gesellschaftern der Klägerin zu 1 unterzeichneten Handelsregisteranmeldung wurde eine Erhöhung der Einlagen der Klägerin zu 2 und der Beklagten als Kommanditisten der Klägerin zu 1 um jeweils 95.000 € und damit auf insgesamt 100.000 € zur Eintragung angemeldet. Weder die Klägerin zu 2 noch die Beklagte zahlten in der Folgezeit die weiteren 95.000 € in die Kasse der Klägerin zu 1 ein. Ob die Klägerin zu 2 ihre Verpflichtung durch Zahlung auf Verbindlichkeiten der Klägerin zu 1 erfüllte, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin zu 1 und die Klägerin zu 2 haben gemeinsam Klage gegen die Beklagte erhoben und sie auf Zahlung der Einlage in Anspruch genommen. Die Klägerin zu 2 hat ihren Anspruch auf eine actio pro socio gestützt.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH führt aus, dass sich die Klägerin zu 2 im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts nicht auf die Grundsätze der actio pro socio für den von ihr geltend gemachten Sozialanspruch gegen die Beklagte berufen könne.

Als actio pro socio wird die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Gesellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft bezeichnet. Sie wurzelt im Gesellschaftsverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters.

Das Recht des einzelnen Gesellschafters, im Wege der actio pro socio gegen einen Mitgesellschafter vorzugehen, sei jedoch beschränkt durch die Grundsätze der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und könne sich unter diesem Blickwinkel nach den konkreten Gesellschaftsverhältnissen, zu denen auch das Verhalten des sich auf die Befugnis berufenden Gesellschafters gehört, als rechtsmissbräuchlich darstellen.

Der Gesellschaftsvertrag bilde dabei die Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und bestimme damit auch deren Inhalt und Umfang. Sie sei jedem Gesellschaftsverhältnis ohne ausdrückliche Regelung immanent. Mit der Begründung des Gesellschaftsverhältnisses unterlägen die Gesellschafter der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht schließe gegenüber der Gesellschaft die Pflicht ein, deren Interessen wahrzunehmen und geschäftsschädigende Handlungen zu unterlassen. Gegenüber den einzelnen Mitgesellschaftern gebiete sie, in dem durch den Gesellschaftszweck vorgegebenen mitgliedschaftlichen Bereich bei der Verfolgung der eigenen Interessen an der Beteiligung auf die Belange der Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen.

In dem hiesigen Fall stehe der Klageerhebung durch die Klägerin zu 2 zeitgleich mit der Klägerin zu 1 der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegen, da dies der ihr als Kommanditistin obliegenden Treuepflicht aus dem Gesellschaftsverhältnis zur Beklagten widerspreche. Das Vorgehen der Klägerin zu 2 sei unverhältnismäßig gewesen und habe nicht den Anforderungen an eine möglichst schonende Ausübung der der Klägerin zu 2 zustehenden gesellschaftsrechtlichen Befugnisse gegenüber der Beklagten als Mitgesellschafterin genügt.

Die eigene zeitgleiche Klageerhebung mit der Klägerin zu 1 sei für die Durchsetzung der Forderung nicht erforderlich gewesen. Die allein kostentreibende Art der Durchsetzung der Verpflichtung der Beklagten verstoße gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht.

Sowohl die Klägerin zu 1 als auch die Klägerin zu 2 wurden durch die gleiche Geschäftsführerin im Prozess vertreten, die auch den gleichen Prozessbevollmächtigten bestellt hatte. Eine besondere prozessuale Situation im Hinblick auf Verteidigungsmöglichkeiten und die Kenntnis der tatsächlichen Umstände spiele bei dieser Konstellation für die Durchsetzung des Rechts von vornherein keine Rolle.

Der Sache nach stelle sich deshalb die zeitgleiche klageweise Geltendmachung der Ansprüche gegen die Beklagte mangels anderer erkennbarer Vorteile lediglich als eine Verteuerung der Rechtsdurchsetzung gegen die Beklagte dar. Besondere schützenswerte Interessen, die eine eigene gleichzeitige Klageerhebung rechtfertigen könnten, seien von der Klägerin zu 2 nicht vorgetragen worden und auch nicht erkennbar.

Die Bedeutung für die Praxis

Der BGH stellt in seiner Entscheidung noch einmal klar, dass die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht auch ohne ausdrückliche Regelung jedem Gesellschaftsverhältnis immanent ist und nicht nur gegenüber der Gesellschaft gilt, sondern auch gegenüber den Mitgesellschaftern.

Sofern im Einzelfall keine besonderen Umstände z.B. im Hinblick auf die Verteidigungsmöglichkeiten und die Kenntnis der tatsächlichen Umstände vorliegen, die - neben der Klageerhebung durch die Gesellschaft - ausnahmsweise eine gleichzeitige Geltendmachung im Wege der actio pro socio rechtfertigen können, ist von einem solchen Vorgehen dringend abzuraten. Andernfalls droht eine Klageabweisung wegen rechtmissbräuchlichen Verhaltens.

Weitere Artikel zum Thema