Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen während Mutterschutz und Elternzeit?

Das Urlaubsrecht ist ein arbeitsrechtlicher Dauerbrenner, das regelmäßig Gegenstand von arbeitsgerichtlichen Verfahren ist. Es verwundert daher kaum, dass sich das Bundesarbeitsgericht abermals in seinem Urteil vom 16. April 2024 (9 AZR 165/23) mit der Abgeltung von Urlaubsansprüchen auseinandersetzen musste.

Der Entscheidung lag eine Klage einer Arbeitnehmerin zugrunde, in welcher diese die Abgeltung von 146 Urlaubstagen aus den Jahren 2015 bis einschließlich 2020 nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend machte. Die Arbeitnehmerin war ab dem 24. August 2015 in Mutterschutz mit anschließender Elternzeit sowie nach der Geburt ihres zweiten Kindes erneut in Mutterschutz und anschließender Elternzeit. Die Urlaubsansprüche waren daher nahezu vollständig während des zweifachen Mutterschutzes und der anschließenden Elternzeiten entstanden. Mithin konnte der Urlaub weder gewährt noch genommen werden, da die Arbeitnehmerin bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchgehend in Elternzeit war. Erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärte der Arbeitgeber, den Urlaubsanspruch während der Elternzeit zu kürzen.

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Abgeltungsanspruch der Arbeitnehmerin statt. Der Urlaubsanspruch sei während des Mutterschutzes und der Elternzeit weder verfallen noch verjährt. Der Arbeitgeber habe insbesondere keine wirksame Erklärung, den Urlaubsanspruch während der Elternzeit zu kürzen, abgegeben. Diese war erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärt worden und sei damit zu spät erfolgt.

Abgeltungsanspruch bei unmittelbarer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach (durchgängigem) Mutterschutz und Elternzeit

Gemäß § 7  Abs. 4 BUrlG ist Urlaub abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt und genommen werden kann. Dies gilt gemäß § 24 Satz 2 MuSchG auch nach Ende des Mutterschutzes bzw. gemäß § 17 Absatz 3 BEEG auch nach Ende der Elternzeit.

Entstehen von Urlaubsansprüchen während Mutterschutz und Elternzeit – keine (automatische) Kürzung des Urlaubsanspruchs im Falle der Elternzeit

Weder der Mutterschutz noch die Elternzeit verhindern das Entstehen von Urlaubsansprüchen in dieser Zeit, vgl. § 24 Satz 1 MuSchG; § 17 Absatz 1 Satz 1 BEEG. Der Arbeitgeber kann die Urlaubsansprüche nur im Falle einer wirksamen Erklärung nach § 17 Absatz 1 Satz 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Hieran fehlte es in dem vorliegenden Fall. Der ehemalige Arbeitgeber hatte eine entsprechende Erklärung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegeben. Eine 

wirksame „Kürzungserklärung“ des Urlaubsanspruchs muss jedoch im laufenden Arbeitsverhältnis erfolgen.

Kein Verfall und keine Verjährung der Urlaubsansprüche während Mutterschutz und Elternzeit

Die entstandenen Urlaubsansprüche waren auch weder gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen noch verjährt. Die üblicherweise einzuhaltenden Verfall- und Verjährungsfristen finden keine Anwendung. Gemäß § 24 Satz 2 MuSchG und § 17 Absatz 2 BEEG muss der Urlaub abweichend von § 7 Abs. 3 BUrlG gerade nicht im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Vielmehr verschiebt sich das maßgebliche Urlaubsjahr auf die Zeit nach Ablauf der Fristen betreffend Mutterschutz und Elternzeit.

Auswirkungen auf die Praxis

Möchte der Arbeitgeber eine „Anhäufung“ von Urlaubsansprüchen während der Elternzeit verhindern, sollte er möglichst frühzeitig eine entsprechende Kürzungserklärung nach § 17 Absatz 1 Satz 1 BEEG abgeben. Eine solche ist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen.

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