Verjährung von Submissionsabsprachen – ein weiter Blick in die Vergangenheit

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem vor kurzem veröffentlichten Beschluss vom 17.09.2024 - KRB 101/23, betreffend eine Submissionsabsprache im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung von Kraftwerken nochmals vor Augen geführt, dass derartige Absprachen regelmäßig weit in die Vergangenheit zurück verfolgt werden können. Der BGH hebt das vorangegangene Urteil des OLG Düsseldorf vom 11.11.2020 auf und bestätigt seine bisherige Rechtsprechung zur Verfolgungsverjährung und zur Bewertungseinheit.

Verjährung von Submissionsabsprachen 5 Jahre nach Beendigung der Tat

Submissionsabsprachen, also Kartellabsprachen im Rahmen öffentlicher oder vergleichbar organisierter privater Ausschreibungen, verwirklichen sowohl eine Kartellordnungswidrigkeit (§ 1, § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB) als auch eine Straftat (§ 298 StGB). Für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit gegenüber den beteiligten Unternehmen ist das Bundeskartellamt (BKartA) zuständig (§ 82 Abs. 2 Nr. 1 GWB), für die Verfolgung der Straftat gegenüber den beteiligten natürlichen Personen hingegen die Staatsanwaltschaft. Für die Verjährung von Ordnungswidrigkeit bzw. Straftat gelten zwar unterschiedliche Vorschriften; inhaltlich besteht aber kein Unterschied. Die Verjährungsfrist beträgt jeweils 5 Jahre (§ 81g Abs. 1 GWB bzw. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) und beginnt, sobald die Handlung bzw. Tat beendet ist (§ 31 Abs. 3 OWiG bzw. § 78a Satz 1 StGB). Dies gilt für die an der Absprache beteiligten natürlichen Personen ebenso wie für die Unternehmen.

Verjährungsbeginn: Erstellung der Schlussrechnung

Der BGH bestätigt seine bisherige und ständige Rechtsprechung (vgl. zuletzt Beschluss vom 25.08.2020 - KRB 25/20), wonach die Verjährung jedenfalls nicht vor Stellung der Schlussrechnung beginnt.

Nach dem Wortlaut knüpfe § 31 Abs. 3 OWiG ebenso wie § 78a StGB den Verjährungsbeginn an den Eintritt des letzten tatbestandlichen Erfolges an, sofern die Handlung bzw. Tat nicht erst danach beendet wird. Der Begriff der Handlung bzw. Tat sei hierbei nicht im materiell-rechtlichen oder prozessualen Sinn zu verstehen, sondern verjährungsrechtlich. Beendigung der Handlung bzw. Tat träte hiernach erst dann ein, wenn die auf demselben Vorsatz beruhende Gesamttätigkeit des Täters abgeschlossen sei. Bei Submissionsabsprachen beginne die Verjährung deshalb nicht schon mit dem sich aus der wettbewerbsbeschränkenden Absprache ergebenden Vertragsschluss zwischen Bestbieter und Auftraggeber, sondern erst mit der vollständigen Vertragsabwicklung, und damit jedenfalls nicht vor Stellung der Schlussrechnung.

Zu beachten ist, dass der so zu bestimmende Verjährungsbeginn nicht nur für das in der betreffenden Ausschreibung erfolgreichen Unternehmen gilt, sondern auch für alle anderen Unternehmen, die aufgrund der Absprache von einem Angebot abgesehen oder ein bewusst höheres Angebot abgegeben haben.

Anders als vom OLG Düsseldorf in der Vorinstanz angenommen, ergibt sich auch aus dem Urteil des EuGH vom 14.01.2021, C-450/19 – Eltel nichts anderes: Zwar liegt Art. 25 Abs. 2 VO 1/2003, der den Verjährungsbeginn bzgl. der Verfolgung von Kartellrechtsverstößen durch die Kommission regelt, ein rein tatbestandsbezogener Beendigungsbegriff zugrunde. Die VO 1/2003 betrifft jedoch die verfahrensrechtliche Durchsetzung des europäischen Wettbewerbsrechts durch die Kommission und die europäischen Gerichte. Die Ahndung von Kartellordnungswidrigkeiten durch die Wettbewerbs- und Verfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten richtet sich hingegen nach dem jeweiligen nationalen Verfahrensrecht, zu dem auch die Vorschriften über die Verfolgungsverjährung zählen. Eine Harmonisierung der für die nationalen Behörden und Gerichte geltenden Verfahrensrechte der Mitgliedstaaten zur Durchsetzung des jeweiligen nationalen und des Unionskartellrechts sieht die VO 1/2003 hingegen nicht vor. Die Auslegung der deutschen Verjährungsregeln im obigen Sinne erfülle auch den europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz, da die volle Wirksamkeit des Unionrechts sichergestellt sei.

Bewertungseinheit bei Grundabsprache

Häufig erstrecken sich Submissionsabsprachen nicht nur auf eine einzige Ausschreibung (siehe hierzu bspw. das Ermittlungsverfahren betreffend die Ausschreibung der Zoobrücke in Köln, siehe hierzu meinen Beitrag), sondern auf eine – regelmäßig unbestimmte - Anzahl gleichartiger Ausschreibungen über einen längeren Zeitraum von durchaus mehreren Jahren (siehe hierzu bspw. das Ermittlungsverfahren in Sachen Dortmunder Straßenbauunternehmen).

Sofern in Fällen der letzteren Art Unternehmen eine sogenannte Grundabsprache getroffen haben, in der sie sich bspw. verpflichten, sich regelmäßig über die Beteiligung an einer bestimmten Art von Absprachen eines bestimmten öffentlichen Auftraggebers und die Höhe ihrer jeweiligen Angebote abzusprechen, fasst der BGH die Einzelabsprachen bzw. die tatsächlichen Handlungen, die der Umsetzung der Grundabsprache dienen, im Sinne einer Bewertungseinheit zusammen. Die Einzelabsprachen betrachtet er also nicht als selbstständige Taten.

Nur wenn es an einer derartigen Grundabsprache fehlt, werden die auf einzelne konkrete Ausschreibungen bezogenen Absprachen bzw. dahingehenden Handlungen als prozessual selbstständige Taten angesehen und verjähren jeweils individuell, gerechnet ab dem Tag der Stellung der Schlussrechnung.

Fazit

Die Sichtweise des BGH, der seine bisherige Rechtsprechung erneut bestätigt hat, führt im Falle einer, Submissionsabsprachen häufig zugrundeliegenden Grundabsprache dazu, dass von den Ermittlungsbehörden auch inkriminierte Ausschreibungen aufgegriffen werden können, die vor weit mehr als 5 Jahren stattgefunden haben. Im vom BGH entschiedenen Fall hatte sich das betroffene Unternehmen Ende 2006 mit Wettbewerbern auf eine Grundabsprache verständigt und diese in den Folgejahren bis 2014 umgesetzt. Der letzte Auftrag wurde im Jahr 2018 schlussabgerechnet.

Die Ermittlungsbehörden können also bei Submissionsabsprachen einen weiten Blick in die Vergangenheit werfen. Sind hierdurch eine Vielzahl von Ausschreibungen betroffen, führt dies regelmäßig zu vergleichsweise hohen tatbezogenen Umsätzen und damit entsprechend den Bußgeldleitlinien des BKartA zu entsprechend hohen Ausgangswerten für die Zumessung der endgültigen Geldbuße.